#digi: Risikokapital für alle
Der Titel des Buches lautet «Die grosse Zerstörung. Was der digitale Bruch mit unserem Leben macht». Geschrieben hat es der Volkswirtschafter Andreas Barthelmess, der auch bei mehreren Techfirmen arbeitete, unter anderem bei iZettle, einem schwedischen System für bargeldloses Zahlen. Vor zwei Jahren wurde die Firma vom US-amerikanischen Onlinebezahldienst Paypal geschluckt. 2,2 Milliarden US-Dollar kostete das. iZettle erzielte aber einen Jahresumsatz von weniger als 200 Millionen. Wie geht das?
Im Kapitel «Digitale Ökonomie» erklärt Barthelmess die sogenannte Plattformökonomie. Er nimmt als Beispiel Uber. Bevor die Firma an die Börse ging, hatte die Unternehmensbewertung bei achtzig Milliarden US-Dollar gelegen – obwohl Uber vorher massiv Verluste eingefahren hatte. BMW hatte zur selben Zeit Milliardengewinne gemacht, war aber an der Börse nur fünfzig Milliarden wert. «BMW ist nicht Uber, Old Economy ist nicht Plattformökonomie, und die Autoindustrie ist kein Winner-takes-it-all-Markt. Das ist der Unterschied», schreibt Barthelmess. «Wer Uber hat, hat die Chance auf den ganzen Markt.» Deshalb fliesst unendlich viel Risikokapital in Start-ups, die das Potenzial haben, einmal so gross zu werden, dass sie sich auf ihrem Feld alles einverleiben können. Das findet aber auf einem abgeschotteten Marktplatz statt. Oder wie es Barthelmess ausdrückt: «Normalos können erst nach dem Börsengang in Startups investieren, und da sind die grossen Sprünge meist schon gemacht, die Gewinne abgegriffen.»
Am Ende des Buches macht der Autor einige Vorschläge. Zum Beispiel fordert er «Risikokapital für alle». KleinsparerInnen sollten auch die Möglichkeit haben, sich an den renditeträchtigen Risikokapitalfonds zu beteiligen, damit sie bei den Börsengängen mitverdienen könnten. An dem Vorschlag könnte man viel kritisieren, aber er macht fassbar, wie die Umverteilung auf diesem abgeschotteten Marktplatz funktioniert: Reiche bestimmen mit Geld, das sie nicht brauchen, wie die Welt von morgen aussieht – um noch mehr Geld zu verdienen, mit dem sie die Welt weiter umbauen. Demokratie kommt darin nicht vor.
Andreas Barthelmess: «Die grosse Zerstörung. Was der digitale Bruch mit unserem Leben macht». Dudenverlag. Berlin 2020. 256 Seiten. 29 Franken.