Im Affekt: Wer wird hier gecancelt?

Nr. 33 –

Die «Cancel Culture» macht es einem nicht einfach. Einerseits ist sie allgegenwärtig: Wie am Fliessband werden publizistische Meinungsbeiträge produziert, die vor einem linken Gesinnungsfuror warnen. Andererseits aber verflüchtigt sich diese «Cancel Culture» meist erstaunlich rasch, sobald man ihren konkreten Ausprägungen nachzuspüren versucht. Das Beispiel der jüngst «gecancelten» Kabarettistin Lisa Eckhart belegt das anschaulich.

Die Österreicherin steht seit einiger Zeit in der Kritik, weil sie in ihren Nummern nicht nur gern das Geraune über die herrschenden Gebote der «politischen Korrektheit», sondern auch antisemitische und rassistische Klischees bedient. Eckhart hätte nun im September beim Harbour Front Literaturfestival in Hamburg aus ihrem Debütroman lesen sollen, zwei andere AutorInnen sagten ihre Teilnahme ab, weil sie nicht mit der in Leipzig lebenden Spassmacherin die Bühne teilen wollten. Der Veranstalter organisierte daraufhin eine Sololesung mit Eckhart, cancelte diese dann aber wiederum wegen Sicherheitsbedenken: In dem «bekanntlich höchst linken Viertel» nahe der Hafenstrasse, in dem die Lesung hätte stattfinden sollen, sei mit Protest zu rechnen, hiess es, «Drohungen des Schwarzen Blocks der Antifa» lägen vor.

Letztlich kam dann zwar heraus, dass es keinerlei konkrete Drohungen, sondern allenfalls ein paar aufgescheuchte NachbarInnen gegeben hatte. Die Triggerwörter «Schwarzer Block» und «Antifa» hatten da aber längst um den demokratischen Diskurs besorgte KommentatorInnen dazu inspiriert, wahlweise eine «neue Verbotskultur», einen «Mob», der «bestimmt, wer auftreten darf und wer nicht», oder gleich «Weimarer Verhältnisse» herbeizufantasieren. Dabei erinnert an die Weimarer Republik höchstens Eckharts aus der Zeit gefallenes Bühnenoutfit.

Letztlich aber auch egal: Das Phantom des «Linksfaschismus» hat seinen Zweck einmal mehr erfüllt.

Der ebenfalls fortlaufend gecancelte Kabarettist Dieter Nuhr, der etwa vor «Hysterie» in Sachen Klimawandel warnt, sprach in der Causa Eckhart übrigens von «totalitären Massnahmen».