Von oben herab: Let’s party!

Nr. 37 –

Stefan Gärtner enthüllt neue Feiern

Dass die Feste gefeiert gehören, wie sie fallen, ist nicht eben das Schweizer Nationalmotto, denn wer feiert, kann nicht arbeiten, und wer nicht arbeitet, ist ein Schuft. Wer aber nicht feiert, kann auch keinen Waldbrand durch ein unbedacht gezündetes Feuerwerk auslösen, wie in Kalifornien geschehen, wo ein, wie die dortige Behörde für Forstwesen und Brandschutz mitteilt, «raucherzeugendes pyrotechnisches Gerät» im Zuge einer sog. Baby-Geschlechtsenthüllungs-Party 2800 Hektar Land zerstört hat. «Zahlreiche Bewohner mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Mehr als 500 Feuerwehrleute und vier Hubschrauber waren bei der Bekämpfung des Feuers im Einsatz. In den USA sind sogenannte Gender Reveal Parties in Mode. Bei diesen geben werdende Eltern das Geschlecht ihres ungeborenen Babys bekannt, manchmal durch rosafarbenen oder blauen Rauch» (derstandard.at).

Da kann sich, finden wir, Helvetien mal eine dicke Käsescheibe von abschneiden, damit spätestens im nächsten, hoffentlich abermals sehr trockenen Sommer partymässig die (Berg-)Hütte brennen kann!

Juni 2021, Dummheits-Enthüllungs-Party. Im Kanton Aarau gehen 5000 Hektar Wald in Flammen auf, nachdem Petra und Reto F. ihrer Tochter Regula (16) enthüllt haben, wie nützlich beim wilden Grillieren ein Brandbeschleuniger ist. «Die Hitze ist sensationell, und die Röstaromen sind überwältigend!», so die Schülerin, bevor sie ins künstliche Koma versetzt wird. Günstige Winde sorgen dafür, dass mehrere Gemeinden an der tagelangen Familienfeier teilnehmen können.

Mitte Juli 2021, Zeugnis-Enthüllungs-Party. Luzerns Altstadt – ein Trümmerhaufen. Grund: die Zeugnis-Feier für Erstklässlerin Luise Charlotte Carolina (7). «Sie ist eigentlich ziemlich mittelmässig», so die Mutter im Polizeiprotokoll, «aber ja trotzdem nicht irgendein Mädchen, sondern aus bester Familie. Nämlich unserer! Deswegen haben wir es auch nach allen Regeln der Kunst krachen lassen. Schade, dass der Bundespräsident keine Zeit hatte!» Die Aufräumarbeiten sollen bis zur Matura des Mädchens abgeschlossen sein.

Ende Juli 2021, Zeugungs-Enthüllungs-Party. Aus Freude über eine Schwangerschaft in der weiteren Verwandtschaft lässt Bundesrat und Major Ueli Maurer ein Flugabwehrgeschütz «auch sinnbildlich sehr eindrucksvolle» («Blick») Freudensalven abfeuern. «Durch ein bedauerliches Versehen» (Maurer) gehen die Geschosse auf einem Acker nieder und richten keinerlei nennenswerte Schäden an, von kaum zu kontrollierenden Grossbränden zu schweigen. «Dafür übernehme ich die volle Verantwortung», so Maurer vor enttäuschten Feuerwehrleuten seines Heimatortes Hirnriss ZH.

Anfang August 2021, Gender-Enthüllungs-Party. Schwere Brandschäden im Zürcher Kreis 8, nachdem die NZZ auf einer Doppelseite den «Gender-Wahnsinn» enthüllt hat. Durch das wirklich heisse Eisen entzündet sich ein Papierkorb, Chefredaktor Eric Gujer giesst «aus Versehen» (eg.) Öl ins Feuer, anschliessend werden «sicherheitshalber» (Polizei) ein paar Linke festgenommen. Der Leitartikel fragt am nächsten Tag: «Wann brennt die Schweiz?», in der Kantine wird der Flammkuchen gestrichen.

Mitte September 2021, Gender-Reval-Party. Im Kanton Graubünden gerät ein Feuer ausser Kontrolle, als sich die Gleichstellungsbeauftragten der Schweizer Universitäten im Unterholz zum mainstreamenden Zigarettenrauchen treffen. «Reval, das ist ja eigentlich eine krasse deutsche Männermarke», hustet Nichtraucherin Sylvie (22) aus St. Gallen, «ein Unding im 21. Jahrhundert!» Die Rauchwolke, die bis nach Italien zu sehen ist, ist darum weder blau noch rosa, sondern schwarz. Der Zigarettenkonzern Reemtsma lehnt eine Stellungnahme «zu an den Haaren herbeigezogenen, überdies deutlich in der Zukunft liegenden Vorgängen» kategorisch ab.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.