RebellInnenrätsel: Die Ausnahmemusikerin

Nr. 20 –

Ihre Finger fliegen über die Tasten; in einem unglaublichen Tempo spielt die Frau am Flügel Chopins «Minutenwalzer». Nach etwa dreissig Sekunden wechselt sie in einen jazzigen Rhythmus; Kontrabass und Schlagzeug stimmen ein – nun geht es gemeinsam groovig weiter. «Jazzing up the classics» – das war der Stil, den die Pianistin zwar nicht selber erfunden hatte, den sie jedoch perfektionierte wie keine andere und mit dem sie Mitte der vierziger Jahre zu einer der bekanntesten und bestbezahlten afroamerikanischen MusikerInnen der USA wurde.

Geboren wurde das Wunderkind 1920 auf Trinidad. Mit ihrer Mutter, einer Pianistin, zog sie mit vier nach Harlem; als sie acht war, spielte sie an der Juilliard-Musikschule vor, an der das Mindestalter sechzehn war. Doch das Mädchen überzeugte mit Sergei Rachmaninows Präludium in cis-Moll. Von da an ging es schnell: erste Konzerte als Schülerin, Engagement am Broadway, eigene Radioshow. Der grosse Durchbruch gelang ihr mit einem Auftritt im «Café Society», dem ersten Club in den USA, in dem Schwarze und Weisse gemeinsam auftraten und im Publikum sassen. Dies machte sie fortan zur Bedingung für einen Auftritt: «Warum sollte jemand mich, eine Schwarze, hören kommen und sich weigern, neben jemandem wie mir zu sitzen?»

Anfang der 1940er Jahre folgte sie dem Ruf nach Hollywood. Beim fünften Film aber streikte sie, weil die Schwarzen Darstellerinnen, die ihre Männer in den Krieg verabschiedeten, schmutzige Schürzen hätten tragen sollen. Sie setzte sich durch – die Frauen tragen im Film nun farbige Kleider –, ihre Filmkarriere aber war beendet. Zurück in New York, erhielt sie 1950 als erste Schwarze eine eigene TV-Show. Trotz grosser Beliebtheit wurde die Show abgesetzt, nachdem ihr Name auf der schwarzen Liste des Kommunistenjägers Joe McCarthy gelandet war. Sie zog mit ihrem Sohn nach Paris, nahm dort Platten auf, gab Konzerte und protestierte mit James Baldwin gegen den Rassismus in den USA. Zurück in der Heimat, starb sie 1981 an Krebs und geriet in Vergessenheit.

Wer war die Ausnahmemusikerin, die mit dem ersten Afroamerikaner, der für New York in den Kongress gewählt wurde, verheiratet war und mit dem sie – mehr als ein halbes Jahrhundert vor den Obamas – das berühmteste Schwarze Paar der USA bildete?

Wir fragten nach der Pianistin, Sängerin und Schauspielerin Hazel Scott. Zu ihren Fans und FreundInnen gehörten Duke Ellington, Frank Sinatra, Eleanor Roosevelt und Billie Holiday. «Dr. King sagte mir, das erste Mal, dass er im Süden an einem Konzert mit nicht getrenntem Publikum gesessen sei, das sei an einem Konzert von mir gewesen», erzählte Scott kurz vor ihrem Tod in einem Radiointerview. Sie spielte unter anderem in den Hollywoodfilmen «Rhapsody in Blue» (1945) und – mit Mae West – «The Heat’s on» (1943).