Im Affekt: Mundartpop ist Heimspiel

Nr. 21 –

Die Drohne mit der Kamera fliegt über beschauliche Landschaften, aber meistens sind die zwei Männer im Bild: Sie grillieren, angeln, fliegen Motorflugzeug und übernachten im Wohnmobil. Wären die beiden nicht bestens bekannt, zum Beispiel als Jurymitglieder von TV-Castingshows, der Clip und der latente Nationalismus des Songtexts («dini Flüss eusi Adere – dini Wälder eusi Lunge») könnten auch von Schweiz Tourismus sein. Bestenfalls. Aber «Wiederseh», so heisst der Song, soll hier keine Ferien für Männer verkaufen, sondern das neuste Mundartpop-Produkt anpreisen: Bligg, der früher Rapper war und heute Geld mit Popsongs verdient, und Marc Sway, ohne den der Schweizer Mundartpop wirklich gar keinen Soul hätte, nennen sich jetzt Blay. Blay machen auch Musik, aber es ist gar nicht so einfach zu sagen, wo diese anfängt und wo das Marketing aufhört.

Moment! Zwei Männer, eine Schweiztour im Promofahrzeug, überteuerte, mit eigenem Logo bedruckte Werbeartikel und die Klickmaschine von Medienpartner «Blick» im Hintergrund – das hatten wir doch alles schon einmal: bei den Büetzer Buebe. Das Marketingkonzept von Gölä und Trauffer geht so: die Produkte in Handarbeit unters Volk bringen, statt die üblichen Vertriebskanäle der Musikindustrie zu nutzen. Dass Bligg und Sway dieses Konzept nun während einer Pandemie kopieren, wo Auftrittsmöglichkeiten fehlen, das ist richtig schlau! Allerdings, den Höhepunkt der Kampagne, den Gig im Hallenstadion – der Sehnsuchtsort der «think big»-Fraktion der Schweizer Musikszene –, mussten Blay auf Ende 2022 verschieben, weil doch zu wenig Zeit für Promo bleibt.

Dass Bligg und Sway auf heimatverbunden machen, um ihre blutleeren Songs zu vermarkten (Albumtitel: «Heimspiel»), ist so erbärmlich wie altbewährt. Krasser drauf ist da der deutsche Sänger Xavier Naidoo, der gerade mit Rechtsextremen und QuerdenkeraktivistInnen den Song «Heimat» veröffentlicht hat. Immerhin, Politik traut man Blay nicht zu.

Auch Humor traut man ihnen nicht zu. Oder ist das Blaymobil (so heisst das Promofahrzeug!) ein Witz auf Bubenträume?