LeserInnenbriefe :

Nr.  23 –

Greenwashing

«Zementindustrie: So klappt das nie mit netto null», WOZ Nr. 20/2021

Mit grossem Interesse habe ich den Beitrag gelesen. Darin wird unter anderem thematisiert, dass sich die Holcim gerne ein klimafreundliches Mäntelchen umhängt, obwohl sie zu den ganz grossen CO2-Emittenten gehört. Passend dazu ist die Holcim nun auch Partnerin bei der vom Verein Myblueplanet organisierten Bündner Klimarally, die noch bis 19. Juni dauert. Dieses dreiste Greenwashing ist nicht akzeptabel. Organisationen, die sich dem Umweltschutz verschreiben, sollten es eigentlich besser wissen und sich nicht dafür einspannen lassen. So klappt das wirklich nie mit netto null.

Christoph Schaniel, Chur

Einzige tragbare Optionen

«Pestizide: Wer hats erfunden?», WOZ Nr. 21/2021

Die historische Aufarbeitung des Pestizideinsatzes in der Schweiz ist sehr aufschlussreich. Illustrativ legt Frau Dyttrich erschreckende Kollateralschäden aufgrund von Leichtfertigkeit und Naivität im Umgang mit den Giften dar. Einzig der Schluss fällt aus ökologischer und agrarpolitischer Perspektive verhältnismässig wohlwollend aus. Im Gegensatz zu den Gifteskapaden nach dem Zweiten Weltkrieg entsteht der Eindruck, die aktuelle Praxis tendiere in Richtung eines vernünftigen Umgangs. Der zentrale Begriff dieser Risikorelativierung ist das «Restrisiko». Er impliziert, dass in Produktion und Anwendung alle möglichen Vorsichtsmassnahmen getroffen werden, um die Risiken der Gifte auf ein naturverträgliches Mass zu reduzieren. Dem ist nicht so.

Grossflächige und hohe Grenzwertüberschreitungen in Gewässern sind an der Tagesordnung. Erst kürzlich musste die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) konstatieren, dass Spitzenexpositionen an Pestiziden in Fliessgewässern um das Hundertfache unterschätzt wurden. Pestizide führen zu Mutationen, stören lebenswichtige Sinnesfunktionen und wirken dauerhaft als Stressoren für Kleintiere. Die unabhängige Denkwerkstatt Vision Landwirtschaft schätzt den daraus folgenden Verlust an Ökosystemleistungen auf 500 Millionen Franken jährlich. Bei der Wirkung auf den Menschen lassen Hinweise auf gesundheitliche Schädigungen aufhorchen: Studien belegen deutlich erhöhte Tumorraten und jüngst eine verminderte Fruchtbarkeit bei Exposition während der Schwangerschaft. Fassen wir dies alles trotzdem unter «Restrisiko» zusammen, ist dieses zumindest ein hochgradig systemrelevantes.

Es ist eine Illusion, zu glauben, die entscheidenden Akteure arbeiteten gemeinsam an einer zukunftsfähigen Lösung. Die Kräfteverhältnisse zwischen der Agrarlobby und dem Umweltschutz sind alles andere als ausbalanciert. Entsprechend kommt der Bund seit Jahrzehnten seinen verfassungsrechtlichen Pflichten zur Erhaltung der Lebensgrundlagen und zur Einhaltung des Vorsorgeprinzips nur äusserst mangelhaft nach. Dazu passt, dass er politische Äusserungen von staatsnahen Institutionen im Gewässerschutz wie dem VSA, dem SVGW oder der Eawag auf ein Minimum reduzieren will. Es sei hier nur an die weiche Zensur erinnert, die Bundesrat Parmelin 2019 hinsichtlich der nun zur Abstimmung kommenden Agrarinitiativen der Eawag auferlegte.

Wollen wir unsere Gewässer effektiv schützen, wollen wir günstiges, sauberes Trinkwasser haben, reichen die bestehenden und die geplanten Massnahmen des Bundes bei weitem nicht aus. Die beiden Initiativen, selbst wenn sie nicht perfekt sein mögen, stellen auf Jahre hinaus die einzigen tragbaren Optionen dar.

Verena Lubini, Gewässerbiologin, und Jan Miotti, Präsident «Wasser schützen», per E-Mail