LeserInnenbriefe: Befremden und Provokation

Nr. 26 –

Kunstmuseum Solothurn: «Es stimmt etwas nicht in diesem Raum», WOZ Nr. 25/2021

Das Befremden, das den WOZ-Essayisten Matt Aufderhorst bei der Betrachtung unseres Saales zur Schweizer Malerei des 19. Jahrhunderts, u. a. mit Werken von Frank Buchser (1828–1890), ergriffen hat, erlebe ich als Verantwortlicher der betreffenden Präsentation nun bei der Lektüre seiner Beurteilung. Das ist umso bedauerlicher, als ich Herrn Aufderhorsts spürbare Empörung, die er anlässlich seines Museumsbesuchs vor mehreren Wochen gegenüber einem Mitarbeiter unseres Hauses geäussert hat, sehr ernst genommen habe. Kurz darauf habe ich einen klärenden Kommentar geschrieben und ihn als Saaltext aufgelegt. Dieser findet im Artikel zwar kurze Erwähnung, doch ohne jegliche Inhaltsangabe. Vieles spricht dafür, dass der Schreibende gar nicht darauf eintreten wollte, wohl auch um die Schärfe seiner narzisstischen Polemik nicht mildern zu müssen. Nur so ist es auch verständlich, dass es bei seiner pauschalen Aburteilung von Frank Buchser bleiben konnte. Die weiteren Werke des Saals, in denen sich derselbe Maler mit spürbarem Respekt Menschen anderer Ethnien zuwendet, bleiben in seinem Text denn auch unerwähnt.

Tatsächlich hatte ich bei der Neueröffnung des Saals noch darauf verzichtet, einen Kommentar zu schreiben. Die Bilder und deren pointierte Nachbarschaften schienen mir sprechend genug. Woran sich der Autor des Artikels stösst – die drastische Begegnung einer «Schwarzen Frau als exotisches Lustobjekt und die weisse als Wohlfühlblickfang», wie es in der Bildlegende heisst –, war als Provokation beabsichtigt. Mit einem weiteren dialektischen Bildpaar von Buchser und Albert Anker (1831–1910) wurde derselbe Gegensatz verdoppelt und als Thema unterstrichen. Bilder des 19. Jahrhunderts spiegeln ihre Zeit und damit auch Welt- und Frauenbilder «von gestern». Dass ihre Präsentation so viel Empörung auslöst, spricht dafür, dass sie bis heute nachwirken. Im Wegsperren oder Isolieren der betreffenden «Zeugnisse» ist ebenso wenig getan wie mit dem vorschnellen und verletzenden Verdikt des «Rassismus». Vielmehr ist zu befürchten, dass Kunstmuseen aufgrund der zunehmend eingeforderten «political correctness» den Mut verlieren, «heikle» Bilder überhaupt noch zu zeigen.

Christoph Vögele, Konservator Kunstmuseum Solothurn, per E-Mail

Akademisch eloquent, mit Zitaten unterfüttert und doch: Du heilige Einfalt! Nimmt das denn kein Ende mit dem langsam unerträglich werdenden Cancel-Wahn, der sich immer tiefer in die Kultur wühlt? Da hätte ich mir von der WOZ mehr differenzierende Kritik erwartet. Ich will hier gar nicht aufzählen, was bis in die Antike alles wenn überhaupt noch gezeigt, so doch mit ausführlichen Hinweisen zu versehen wäre, weil die Seh-Erfahrung einer Minderheit (!) offenbar permanent beunruhigt, ja brüskiert wird. Nebenbei: Könnte es nicht sein, dass heutige RezipientInnen sich selbst ein Urteil zum Bild (und wenn das denn unabdingbar nötig ist) auch zum Maler oder zur Malerin machen könnten? Ach, armer Gauguin, armer Bonnard, armer Courbet … Aber auch diese Aufzählung muss jetzt kommentiert werden, enthält sie doch nur Männernamen! Und DAS ist nun tatsächlich ein Problem.

Franz Dodel, per E-Mail