Im Affekt: Holy Shit!

Nr. 27 –

Rekordhitze in Kanada, Waldbrände in Sibirien, dazu explodierende Coronafallzahlen in Grossbritannien: An schlechten Nachrichten herrscht kein Mangel. Und als wäre dies nicht deprimierend genug, hat sich nun auch noch ein katholischer Geistlicher in die Debatte um «Identitätspolitik» und andere aktuelle Befindlichkeiten eingeschaltet. In der «NZZ am Sonntag» brachte der Theologe Martin Grichting ein paar fromme Gedanken zu den rechten Trendthemen «Gender-Ideologie» und «Klimafanatismus» unters Volk.

Was Erstere angeht, stösst Martin Grichting deren «Leibfeindlichkeit» auf. Diese macht der Gottesmann daran fest, dass neuerdings auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, «die biologisch aus sich heraus nicht zur Fortpflanzung fähig sind», «als gleichwertige Verpartnerungen verstanden werden» wollen. Man mag einwenden, dass gerade katholische Geistliche gut beraten wären, beim Thema Leibfeindlichkeit ihren Mund zu halten, zumal sie «Verpartnerungen» nur vom Hörensagen kennen. Aber wenns darum geht, gegenwärtige Kämpfe zu diskreditieren, ist in Medien wie der NZZ ja längst alles erlaubt.

Ähnliches gilt, wenn der Prediger der Klimabewegung die Leviten liest. Diese teile zwar mit dem Christentum die Überzeugung, dass die Natur prinzipiell erhaltenswert sei. Allerdings hätten die AktivistInnen aus dem Blick verloren, dass dieses Anliegen «im christlichen Glaubenszusammenhang» kein Selbstzweck sei, da ja die Natur dem Menschen deswegen anvertraut wurde, um ihn daran zu gewöhnen, «an Gottes Gaben teilzuhaben». Gut, weist endlich einer die HäretikerInnen von Fridays for Future auf diesen blinden Fleck hin. Aber muss man ihnen deswegen gleich einen «pseudoreligiösen Furor» attestieren?

Nebenbei meint er noch, dass es die Aufklärung war, die «dem, was im Christentum angelegt war, lebenspraktisch zum Durchbruch verhalf». Historisch war es aber eher so, dass die Religion überall dort, wo sich freies Denken und emanzipatorische Bewegungen regten, zuverlässig mit denen im Bund stand, die diese Bestrebungen erbittert bekämpften. Daran hat sich offenbar wenig geändert.

Vielleicht sollten sich Theologen wieder Gottesbeweisen widmen. Rein lebenspraktisch wäre das für alle Beteiligten ein Gewinn.