Im Affekt: Vorsicht: Mehrsprachigkeit!

Nr. 38 –

Sie wünsche sich, dass es nie mehr eine Veranstaltung wie diese geben müsse, sagt die Autorin Dragica Rajcic Holzner im Literaturhaus Zürich. Sie meint das Symposium über «Literaturen der Schweiz», wo sie als Rednerin auftritt. Es geht dabei um Schweizer Literatur, die von hier lebenden AutorInnen verfasst wird, aber nicht in einer der vier offiziellen Landessprachen.

Die Schweiz ist längst mehr als viersprachig: Mittlerweile sprechen hier mehr Menschen Portugiesisch, Albanisch oder Spanisch als Rätoromanisch. Und in all diesen Sprachen entsteht auch Literatur. Nur wurde diese bislang kaum beachtet: nicht von der Förderung, den Medien oder den Buchhandlungen und somit auch nicht von den meisten hiesigen LeserInnen. Das soll sich nun ändern, die tatsächliche Schweizer Mehrsprachigkeit soll sich auch im hiesigen Literaturbetrieb widerspiegeln. Am Symposium werden Möglichkeiten diskutiert, wie man diese Literatur besser sichtbar machen könnte, Förderkonzepte werden vorgestellt, und AutorInnen erzählen von ihrem Schaffen.

Und während hier angeregt über die vielen fünften Landessprachen als selbstverständlichen Teil der sogenannten Schweizer Literatur diskutiert wird, ploppt auf einem anderen Kanal eine Nachricht wie aus einer anderen Zeit auf: Auf einer sozialen Plattform schreibt eine Journalistin, dass es ihrem Sohn auf dem Pausenplatz einer Schule in einer Schweizer Stadt verboten sei, mit seinen FreundInnen türkisch zu sprechen. Da wird also Mehrsprachigkeit statt als Ressource noch immer als Defizit gesehen – schlimmer noch, als etwas Fremdes, das hier nichts zu suchen hat. Ob sich die Schulleitung auch daran stossen würde, wenn die SchülerInnen in der Pause französisch, englisch oder gar lateinisch miteinander sprechen würden? Oder würde sie sich dann eher mit der Mehrsprachigkeit ihrer vielseitig begabten SchülerInnen brüsten?

Sicher ist: Es wird noch ein paar Veranstaltungen zu diesem Thema geben müssen.

Dringlich empfohlene Lektüre für alle PädagogInnen: «Die Macht der Mehrsprachigkeit» von Olga Grjasnowa.