Im Affekt: Mehrwert mit Papierwolf

Nr. 42 –

Diese Affektfaust zielt auf den Angstgegner Kunstmarkt. Sie trifft aber den weltbekannten Strassen- und Schablonenmaler Banksy, der uns gerade wieder einmal vorgeführt hat, dass sich dieser Kunstmarkt eben nicht so leicht vorführen lässt. «Pest Control» heisst die Agentur, die der anonyme Graffitikünstler gegründet hat, um seine Urheberrechte zu wahren und autorisierte Prints von ausgesuchten Sujets zum Verkauf anzubieten. Der Agenturname lässt erahnen, dass Banksy nicht allzu viel hält vom «Schädling» Kunstmarkt. Das hindert ihn allerdings nicht daran, diesen Markt nach allen Regeln der Kunst zu bespielen. Denn er schmückt nicht nur – schwer verkäufliche – Hausmauern mit seinen Graffiti, sondern füttert den Markt auch mit Reproduktionen dieser Strassenkunst.

Schon klar, auch ein anonymer Guerillakünstler hat Rechnungen zu bezahlen. Er verkauft sehr selten und in kontrollierten Auflagen – was die Wertsteigerung dieser Kunstdrucke natürlich perfekt befördert. 2018 legte er nach. In einer aufsehenerregenden Aktion liess er eines seiner beliebtesten Sujets – ein Mädchen, das nach einem herzförmigen Ballon greift – vom Auktionshaus Sotheby’s versteigern. Als der Hammer fiel, begann ein im Rahmen verborgener Papierwolf das Bild in Streifen zu schneiden; der pompöse Goldrahmen um das bescheidene Motiv hätte wohl von Anfang an stutzig machen müssen.

Die Medien feierten die Show, bei der – absichtlich oder nicht – nur das halbe Bild geschreddert wurde, als genialen Tritt ans Bein des gefrässigen Kunstmarkts. Bloss war das diesem total egal. Nachdem das ursprünglich für 1,32 Millionen Franken ersteigerte Schredderbild auch in Museumsausstellungen zu bestaunen war, kam es letzte Woche erneut unter den Hammer – und wurde für sagenhafte 20,28 Millionen Franken weiterversteigert. Die banale Moral von der Geschichte: Der Markt verwandelt jede Kritik mühelos in Gewinn – und ist somit vielleicht das wahre Kunstwerk. Auf jeden Fall bleibt er der Angstgegner.

Aufmerksamkeitsökonomisch profitieren Künstler und Markt gleichermassen. Mit Georg Seesslen: «Das kann man mögen oder nicht. Nur ignorieren kann man es nicht.»