Im Affekt: Wie einfältig darfs sein?

Nr. 44 –

Anfang November, ein Wetterwechsel ist angesagt, nicht ungewöhnlich für die Jahreszeit. Die Morgenmoderatorin von Radio SRF  1 nimmt den Meteorologen ins Gebet: «Es ist ja nicht mehr so tolles Wetter, also es ist ein Regen, okay, Regen brauchts, das ist klar, aber trotzdem, psychologisch, es ist ein November und es wirkt auch ein bisschen wie November.» Dada lebt! Eine Stunde zuvor war der Dialog, nach Erläuterungen zu Schneefall und Wintereinbruch in den höheren Lagen, noch so verlaufen: «Also gut, aber bis ganz hinunter schneits noch nicht!» Der Meteorologe: «Nein.» Die Moderatorin: «Ich wäre grad ein wenig überfordert mit dieser Situation.» Überfordert. Vom Herbst.

Überhaupt fällt auf: Wenn die Kolleg:innen aus der Wetterredaktion im Radio Nebel, Regen oder Kälte voraussagen, wird oft mit klagender Stimme nachgefragt: «Wann wirds endlich wieder besser?» Und warum muss man das (vermeintlich) schlechte Wetter wie einen Weltuntergang oder eine schwere Krankheit verkünden oder im selben Tonfall, wie man dem Kind die Gefahren einer heissen Herdplatte erklärt?

Anderes Beispiel, gleiches Thema. Jahreszeiten! Im Onlinemagazin «Republik» wurde kürzlich verdienstvollerweise die Frage erörtert, was der zweite Pandemiewinter in der Schweiz wohl bringen werde. Unter dem elegant bei «Game of Thrones» abgezügelten Zwischentitel «Der Winter naht» stand zu lesen, die zweite Welle sei letztes Jahr rapide angestiegen, «kurz nachdem die Temperaturen eingebrochen waren. Und just jetzt ist es wieder so weit: Der Spätsommer ist passé, vielleicht haben auch Sie Wollpullover und Handschuhe schon aus dem Estrich geholt. Es ist kühl in der Schweiz, seit rund zwei Wochen.» Jemanden am Handschuh nehmen ist sinnvoll, wenn er oder sie nicht mehr sicher auf den Beinen ist. Doch wenn wir Zuhörer und Leserinnen behandeln, als wären sie schwer von Begriff, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich diese auch immer einfältiger verhalten – oder sich ganz von diesem Nanny-Journalismus abwenden.

Dasselbe bei der Diskussion zur Winterzeit: Die verschobene Stunde verursache Jetlagleid wie nach dem Langstreckenflug.