Im Affekt: Satirisch halbgar
Stellen Sie sich vor, in sechs Monaten geht die Welt unter, weil ein gigantischer Komet einschlägt – und niemanden juckts. Mit dieser Synopsis wäre eigentlich alles gesagt zum Netflix-Blockbuster «Don’t Look Up» von Adam McKay, würde er als Satire nicht auf die Klimakrise zielen. «Die Welt braucht diesen Film», bilanziert der Wissenschaftler und «Spiegel»-Kolumnist Christian Stöcker, «Relevanz schlägt Ästhetik oder Subtilität, wenn es um die Zukunft der Erde geht, sorry.» Sorry, findet auch der US-Klimaforscher Peter Kalmus im «Guardian»: Das sei der akkurateste Film über das erschreckende Nichtreagieren der Menschheit auf den bevorstehenden Klimakollaps – die Welt brauche mehr solch gute Filme statt weiterer Fakten.
Sorry?
Klar, der Film bringt von der Idee her vieles auf den Punkt, von den Klimaleugner:innen («99,7 Prozent? Es ist also nicht sicher», so die Präsidentin an einer Stelle) über turbokapitalistische Big-Tech-Quick-Fixes bis hin zum Imperativ der seichten Unterhaltung und Zerstreuung auf allen medialen Kanälen. Oder dem Umstand, dass letztlich nur alte weisse Oberhäupter gerettet werden (was wahrscheinlich die wenigsten Zuschauer:innen mitbekommen, weil es erst im Abspann passiert). Bloss scheitert «Don’t Look Up» grandios in der Umsetzung als Satire, zumal nicht auf Subtilität, sondern auf derben verbalen Slapstick gesetzt wird (im Vergleich unerreicht: Monty Python). Genau dabei ist aber das Timing der Lacher essenziell – und die zerredet der Film immer wieder. Unverzeihlich auch, dass der originale Idiot (Trump) als solcher besser ist als seine satirische Überzeichnung (Meryl Streep). Oder ist das jetzt unfair, angesichts der hohen Hürde?
Zum Schluss, liebe Fangemeinde aus der Wissenschaft, sei die Frage erlaubt: Seht ihr euch akkurat gezeichnet in der rührseligen Schlussszene vor der Apokalypse, wo ihr händchenhaltend im erweiterten Familienkreis beim Abendmahl zusammensitzt, euer gutes Leben kontempliert und betet?
Der «Spiegel»-Kolumnist hat sich den Film, den die Welt braucht, übrigens gar nicht angesehen.