Theaterstück: Eine Schatztruhe für Träumende
Im Dezember 1966 kommt Paul Bowles der Bitte des Theaterregisseurs Joseph McPhillips nach, seine Kurzgeschichte «The Garden» zu einem Bühnenstück umzuarbeiten. Szenen und Dialoge entstehen auf hoher See zwischen Bangkok und Tanger, der Wahlheimat des US-Schriftstellers. Dort wird sein Stück im Palais du Marshan Ende April 1967 uraufgeführt, veröffentlicht wird es jedoch nie.
Dreissig Jahre später sitzen Bowles und der St. Galler Autor und Übersetzer Florian Vetsch in Tanger beisammen und beschliessen, das nie publizierte Theaterstück und dessen Entstehungsgeschichte in einem Buch zu verewigen. Durch Bowles Tod 1999 landet das Projekt wieder in der Schublade. Erst jetzt – weitere 22 Jahre später – hat Vetsch es zur Vollendung gebracht. Die dem Stück zugrunde liegende Parabel ist bis heute aktuell. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, dessen Frau seine Liebe zu seinem Garten nicht versteht. Im Glauben, er verstecke einen Schatz vor ihr, vergiftet sie ihn. Durch das Gift verliert der Mann zwar nicht sein Leben, jedoch den Zugang zur Realität und wird deshalb von der Dorfgemeinschaft ermordet. Mit ihm stirbt auch der Garten und verschwindet für immer unter dem Wüstensand.
Das Buch ist eine Freude für die Sinne. Neben dem Theaterskript auf Deutsch und Englisch enthält es Briefe von Bowles, alte Fotografien, Ausschnitte aus Bowles’ Autobiografie sowie Interviews und Erinnerungen von Wegbegleiter:innen. Es zeigt Ira Bellines Kostümentwürfe und Bühnenskizzen des Malers Brion Gysin, dazu Marguerite McBeys Plakat zum Stück, das nun das Cover ziert – alles liebevoll bearbeitet und wunderbar gestaltet von Dario Benassa. «Der Garten» ist eine Schatztruhe für Träumer, Weltenbummlerinnen, Literatur- und Theaterliebhaber:innen. «Am Ende des zweitletzten Satzes verklingen Licht und Lira», schreibt Bowles im Skript. Den letzten Satz liest die Stimme im Dunkel. Dann Schweigen. Die Deff macht: Ta-da-da-dun.
Paul Bowles: The Garden / Der Garten. Herausgegeben und aus dem Amerikanischen übersetzt von Florian Vetsch. Bilgerverlag. Zürich 2021. 184 Seiten. 50 Franken