Im Affekt: Lex Netflix: Wir streamen Milch!

Nr. 3 –

Allzu krude Bilder sind nie gut für den politischen Diskurs. Auch immer schlecht: Kultur mit Landwirtschaft zu vergleichen. Doch die Sachkenntnis beim Referendum gegen die Lex Netflix ist bislang auf so bestürzendem Niveau, dass uns keine andere Wahl bleibt. Deshalb gehts hier um Milch: die einzige Streamingbranche, die in der Schweiz alle kapieren.

Stellen Sie sich vor: Vor langer Zeit fingen internationale Grosskonzerne an, Milchpipelines direkt in die Schweizer Haushalte zu leiten. Diese industrielle Milch aus der Pipeline war nicht unbedingt nahrhafter als die von hiesigen Betrieben produzierte Milch. Aber den Leuten schmeckte sie besser, und sie konnten die Milch bequem zu Hause zapfen. Im Abo war sie zudem billiger als jene aus der Region, und die Betreiber warben mit einer fast grenzenlosen Auswahl an verschiedenen ausländischen Sorten (auch wenn viele davon dann doch irgendwie gleich schmeckten).

Den Betreibern dieser Pipelines war die hiesige Milchwirtschaft egal. Steuern zahlten sie hier kaum, Arbeitskräfte hatten sie vor Ort auch nicht nötig. Die Pipelines liefen also ohne Reibungsverlust in beide Richtungen: Sie lieferten die Milch, und der Ertrag floss vollumfänglich zurück zu den Grosskonzernen im Ausland. Recht so, fanden die Jungbürgerlichen: Die Schweizer Milchwirtschaft sei schon ausreichend subventioniert. Wieso sollte man die ausländischen Konzerne also verpflichten, auch nur vier Prozent ihres in der Schweiz erzielten Umsatzes in die hiesige Milchproduktion zu investieren, wie das in anderen Ländern bereits üblich war? Damit uns diese Pipelines dann auch noch ein bisschen einheimische Milch unterjubelten, wo uns die ausländische Industriemilch doch viel besser schmeckte?

Und so brach die Schweizer Milchwirtschaft irgendwann ein. Ein paar wenige subventionierte Betriebe blieben übrig, doch diese produzierten nur noch lang gereifte Käslein in Kleinstauflage, an denen sich die verschwindende Elite der Milchkritiker:innen erfreute.

Die Abstimmung über das Lex-Netflix-Referendum ist auf den 15. Mai 2022 angesetzt.