Im Affekt: Randalierende Schneeflocken
Ein hoffnungsvoller Song über eine kommende Jugendrevolte, das kann auch heute noch funktionieren. Zum Beispiel, indem nostalgische Gefühle geweckt werden: Erinnerungen an eine Zeit, in der Jugendbewegungen noch solche Songs hören wollten und sich überhaupt noch für Kunst und Hedonismus interessierten.
Aber hinter solchen Gefühlen steckt doch meistens ein Klischee über die Gegenwart: hier der strenge Moralismus der Klimajugend, dort eine Masse von psychisch und digital hochgerüsteten Optimierungsmaschinen. Der Thurgauer Musiker David Nägeli hat gegen solche Klischees die treffendste Kunstfigur erschaffen, die man sich vorstellen kann: Daif, die depressive Schneeflocke. «alles was mir hend wölle isch alles (und alles was mir becho hend isch chalt)», so heisst das neue Album von Daif, und es ist so hoffnungslos, wie es klingt. Aber auch sehr lustig.
Auch Daif hat Träume, zum Beispiel, mit einer Szeneband in einem Provinzclub aufzutreten und Songs der Moldy Peaches zu singen; oder an der Zürcher Europaallee zu randalieren, Scheiben einzuschlagen und Autos abzufackeln, wie damals bei Reclaim the Streets. Doch für utopische Forderungen fehlt ihm schon in der Vorstellung die Kraft – es reicht, dass man dort gewesen ist: «Chum, mr sprayed üsi Näme ad Europaallee / All sötted wüsse, mir sind da gsi».
Er ist auch mal wütend auf die Leute um ihn herum, die so erfolgreich und verliebt sind und deren Pflanzen nicht sterben («ficked eu alli»). Doch so alleine in seinem Proberaum und ohne kluge gesellschaftskritische Gedanken fällt dann doch alles auf den sensiblen cis Mann zurück: «Vilicht gits ja immer Gründ zum Truurigsii / Odr bi das afach ii».
Natürlich klingt diese Musik auch total überdreht, die sentimentalen Folkmelodien, die renitent-geschredderten Metalpassagen, das inflationär eingesetzte Autotune. Am ehesten klingt diese Musik wie Punk, aber diesmal auf jeden Fall als Farce.
Was in der Affekttheorie manchmal vergessen geht: Wenig macht so viel Lust auf Ausbruch wie eine Sackgasse.