#digi: Welcome to Veniceland!
Seit Jahren leidet Venedig unter Übertourismus. Über zwanzig Millionen Besucher:innen verzeichnete die Lagunenstadt 2019. Trotz Pandemie strömen immer noch täglich Zehntausende durch die Gassen, um sich die Rialtobrücke und die Piazza San Marco anzusehen. Mitverantwortlich dafür waren bis vor kurzem auch die grossen Kreuzfahrtschiffe, die mitten durch die Stadt fuhren, um Tourist:innen abzuladen. Diese wurden zwar mittlerweile aus der Stadt verbannt und müssen am nahen Festland anlegen, das Problem wird damit aber bloss verlagert und nicht gelöst.
Nun führt die Regierung weitere fragwürdige Methoden ein, um die Situation zu verbessern. Zum einen sollen Tourist:innen bald vor ihrem Besuch online ein Eintrittsticket für die Stadt kaufen – Kostenpunkt: fünf Euro, Gültigkeit: ein Tag. An den Hauptzugängen der Altstadt wird dann mit Eintrittstoren dafür gesorgt, dass sich niemand unerlaubt in die Stadt schleicht. Damit sollen hektische Tagesausflüge unterbunden und «langsamer Tourismus» gefördert werden. Zum anderen werden die Besucher:innen in den Gassen und auf den Plätzen von rund 500 Kameras aus einem Kontrollraum der Polizei überwacht. Um nicht ins Besuchskonzept passende Menschen zu finden, greift die Stadt darüber hinaus auf Echtzeitdaten der Mobilfunkanbieter zurück. Diese lassen sich dafür bereitwillig einspannen. So kann die Polizei mittels Handydaten ermitteln, wo sich gerade wie viele Tourist:innen befinden, wie schnell sie sich wohin bewegen und wie lange sie sich schon in der Stadt aufhalten.
Das alles soll zum Wohl der vom Tourismus gebeutelten lokalen Bevölkerung passieren. Seit Jahren schrumpft sie. Gerade noch 50 000 Menschen leben hier. Denn die Mieten steigen immer weiter, und es gibt kaum Arbeitsplätze ausserhalb des Tourismussektors. So stossen die Massnahmen der Regierung auf wenig Begeisterung, wie Gespräche vor Ort ergeben. Viele befürchten, dass Venedig dadurch bloss noch mehr zu einem Vergnügungspark wird, der dann dank Eintrittsticket ganz ohne Gewissensbisse konsumiert werden darf. Was die Stadt aber eigentlich bräuchte, sei eine Vision für Menschen, die hier leben, arbeiten und gemeinsam am Canale Grande Bier trinken wollen. Mit Überwachung funktioniert das kaum.