Im Affekt: Deutscher Adel auf Drogen
Ein verarmter deutscher Adliger schaut eine Serie über Native Americans und hat eine Erkenntnis: Die Menschen in den Reservaten sind genau wie er! Wie den Native Americans sei auch den Adligen mehrfach Land geraubt worden, ihr Misstrauen gegen die neue Obrigkeit zeige sich in einem latenten Anarchismus, und wie die Adligen seien auch die «Indianer» alle irgendwie miteinander verwandt. Und als Verlierern, so weiss er, sei beiden eine geheimnisvolle, unwiderstehliche Sache eigen: die Würde.
Eine ganze Seite in der NZZ bekommt der adlige «Bild»-Redaktor, um über sein «Leben als Indianer» zu palavern.
Dazu ein paar Fakten: Bevor die Europäer:innen in Nordamerika eindrangen, lebten dort über 500 verschiedene «nations» mit jeweils eigener Sprache – verwandt waren kaum alle miteinander. 1830 peitschte US-Präsident Andrew Jackson das Gesetz zur «Beseitigung der Indianer» durch den Kongress, Ziel war deren totale Auslöschung. Hunderttausende von Natives wurden in Reservate deportiert, ermordet, vergewaltigt, zu Zwangsarbeit verdammt und teils absichtlich mit importierten Krankheiten angesteckt – alles «im Namen Gottes».
1800 lebten in den USA 600 000 Natives, um 1900 waren es nur noch 237 000. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Kinder in Umerziehungsschulen untergebracht: Der Kontakt zur Familie war ihnen untersagt, ihre Sprache verboten, physische und psychische Misshandlung sowie sexueller Missbrauch waren an der Tagesordnung. Erst vergangenes Jahr wurde in Kanada auf dem Gelände eines «Umerziehungslagers», das noch bis 1997 in Betrieb gewesen war, ein Massengrab entdeckt. In Kanada haben die First Nation People erst seit 1960 das Wahlrecht. Bei den Natives und den First Nation People ist nicht nur die Suizidrate viel höher als anderswo, sondern auch der Alkohol- und Drogenkonsum.
Welche Drogen der adlige NZZ-Gastautor konsumiert hat, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Was wir mit Sicherheit wissen: dass die NZZ mit solcher Geschichtsklitterung ihre Würde verspielt.
Dem geistig verarmten Adel zur Weiterbildung empfohlen: Anja Glovers Podcast «Einfach leben» und der Roman «Dort dort» von Tommy Orange.