Leser:innenbriefe
Legitim und notwendig
«Menschenrechte: Ein Wort wie ein Hammerschlag», WOZ Nr. 6/2022
Die WOZ kritisiert Amnesty International, wir würden mit dem Bericht «Israels Apartheid gegen die Palästinenser:innen» einen «strukturell verankerten Antisemitismus bedienen», da vor allem Israel der Kritik unterzogen werde, während die palästinensischen Behörden oder Nachbarstaaten geschont würden. Ein Blick auf die Website von Amnesty hätte gezeigt, dass diese Kritik nicht haltbar ist. Amnesty kritisierte zahlreiche Staaten in jüngster Zeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und bezeichnete die Behandlung der Rohingya-Minderheit in Myanmar als Apartheid.
Der Bericht «Israels Apartheid» zeigt detailliert auf, wie der Staat Israel ein System der institutionellen Diskriminierung, Unterdrückung und Beherrschung der Palästinenser:innen etabliert hat. Die Einordnung, dass es sich hier um Apartheid handelt, stützt sich auf die Definitionen im internationalen Recht wie etwa die Konvention gegen Apartheid. Unsere Ergebnisse decken sich weitgehend mit den Schlussfolgerungen anderer Menschenrechtsorganisationen.
Dass die israelische Regierung den Amnesty-Bericht noch vor Veröffentlichung als antisemitisch diffamiert hatte, erstaunt nicht. Der Vorwurf ist jedoch haltlos und hat zum Ziel, die Aufmerksamkeit von den Menschenrechtsverletzungen abzulenken, unter denen die Palästinenser:innen leiden.
Dreizehn Menschenrechtsorganisationen aus Israel verteidigen deshalb den Bericht: «Viele von uns haben im Zusammenhang der Behandlung der Palästinenser durch Israel den Begriff ‹Apartheid› verwendet. Die Debatte über das Verbrechen der Apartheid, dessen Israel beschuldigt wird, ist nicht nur legitim, sondern absolut notwendig.» Und weiter: «Israel wird nicht mit anderen Massstäben gemessen – aber die israelische Regierung will offenbar mit gar keinen Massstäben gemessen werden.» Das sollte uns zu denken geben und kritisiert werden.
Patrick Walder, Kampagnenleiter Amnesty International Schweiz
Es ist mir unverständlich, wieso Amnesty International den Apartheidbegriff im Falle Israels nicht verwenden sollte. Er bringt die verschiedenen Menschenrechtsverletzungen durch Israel – Vertreibungen und Landnahmen, rechtswidrige Tötungen, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, unterschiedliche Rechtssysteme für Jüd:innen und Araber:innen – auf den Punkt und kann sich auf das internationale Menschenrechtssystem berufen. Die völkerrechtlich definierte Antiapartheidkonvention besteht seit 1973. Sie wurde 1998 ins Römer Statut aufgenommen und dient seither dem Internationalen Strafgerichtshof als Vertragsgrundlage.
Israel muss sich im Falle von Menschenrechtsverletzungen Fragen und Vorwürfe gefallen lassen wie andere Länder auch. Diese sind legitim und müssen nicht wegen der ungeheuerlichen Verbrechen des Holocaust zurückgehalten werden. Es ist eher umgekehrt (was vielleicht die Häufigkeit der Israel-Kritik erklärt), denn die Erwartung besteht zweifellos, dass sich gerade Israel aus den geschichtlichen Opfererfahrungen des jüdischen Volkes menschenrechtlich vorbildlich verhalten würde. Also sich nicht «systematischer Unterdrückung und Beherrschung» gegen die Palästinenser schuldig macht und auch nicht das Recht des Stärkeren derart kompromisslos ausspielt.
Die Kritik an Israels Politik ist nicht antisemitisch, und Israel muss sich dieser Kritik im internationalen Kontext stellen, selbst dann, wenn sich antisemitische Kreise hinter der menschenrechtlichen Israel-Kritik verstecken. Sich von dieser rassistischen Motivation klar abzugrenzen, ist im Interesse der Menschenrechtler ebenso wie im Interesse Israels.
Dass das israelische Aussenministerium den Amnesty-Bericht ablehnt, kann man begreifen. Dass dies auch der Jüdische Weltkongress tut, ist unglücklich, denn er verwischt den Unterschied von Judentum und Israel. Und dass beide Stellen sogleich mit der Antisemitismuskeule reagieren, ist geradezu kontraproduktiv. Es ist ein fataler Fehler der israelischen Politik, achtzig Jahre nach den Nazi-Gräueltaten die eigenen Menschenrechtsverbrechen verneinen oder gar entschuldigen zu wollen. Damit leistet Israel dem Judentum einen Bärendienst, weil es dem wiedererwachten Antisemitismus nur Auftrieb gibt!
Göpf Berweger, Biel
Einmal mehr eine WOZ mit ausgezeichneten Beiträgen. Ein Beitrag wie der von Raphael Albisser hat mir in den meisten meinungsmachenden Medien schmerzlich gefehlt (Ausnahme SRF, Susanne Brunner).
Christina Dolderer, per E-Mail
Maag-Hallen vergessen
«Zürcher Kultur: Zement gewordene Ruhe», WOZ Nr. 5/2022
Sibylle Berg kennt sich gut aus in der Hochkultur und den entsprechenden Locations in Zürich-West. Leider hat sie die Maag-Hallen vergessen. Diese sollen in nächster Zeit abgerissen und durch einen Neubau, sprich: Kulturkubus, ersetzt werden.
Wir befürchten Zement werdende Ruhe und haben deshalb das Komitee «Retten wir die Maag-Hallen» gegründet, um den Abriss einer gut funktionierenden Kulturinstitution zu verhindern. Diese bringt pro Jahr über 300 000 Besucher nach Zürich-West. Bitte unterschreibt im Internet unsere Initiative zum Schutz der Maag-Hallen.
Christoph Gysi, Präsident Kulturmeile Zürich-West und Komitee www.retten-wir-die-maaghallen.ch