Leser:innenbriefe

Nr. 10 –

Zur Kriegsberichterstattung

Diverse Artikel zum Krieg gegen die Ukraine, WOZ Nr. 9/2022

Nach Tagen des Doomscrollings endlich die WOZ. Der Leitartikel von Yves Wegelin. Die Kolumne von Michelle Steinbeck. Die erste und die letzte Seite. Plädoyer für Frieden und Poesie. Danke. Danke für eure Haltung, danke für eure Stimme.

Franziska Nyffenegger, per E-Mail

Danke für die WOZ-Ausgabe mit den vielen Informationen zum Ukrainekrieg. Sehr spannend finde ich die Auflistung verschiedener Solidaritätsmöglichkeiten, insbesondere die juristische Hilfe für Kriegsgegner in Russland.

Roland Sidler, Biel

Ukraine

Wenn es heisst, «Putin marschiere in die Ukraine ein», so ist das nicht korrekt. Wladimir Putin und seine Trabanten im Kreml beobachten lediglich via Satellit aus der Ferne. Sie wollen sich ihre Hände nicht schmutzig machen und schicken lieber «Berufskiller». Dabei wird auch die Zivilbevölkerung nicht verschont.

Was ich damit sagen will: Hinter dem Kriegsereignis stecken eine unglaublich grosse Organisation und Logistik. Die Vorgesetzten wissen also genau, welche Soldaten, die alle auch einen Namen und eine Adresse haben, zu welcher Zeit, an welchem Ort Bomben aus ihren Flugzeugen abwerfen. Leider ist das «charakterliche Immunsystem» eines zwanzigjährigen Soldaten noch zu wenig ausgebildet, als dass dieser erkennt, dass er von seinen Vorgesetzten und vor allem vom «Oberbefehlshaber» ganz einfach gering geschätzt und missbraucht wird. Nicht wenige der Soldaten haben schon an Suizid gedacht, aufgrund ihrer völlig sinnlosen und menschenverachtenden «Arbeit». Statt an Suizid zu denken, sollten sich die Soldaten untereinander solidarisieren, Angriffsbefehle verweigern und sich auf geltendes Völkerrecht berufen. Das Wirkungsvollste gegen einen Aggressor ist militärischer «Personalmangel»! Hoffen wir, dass dereinst auch Wladimir Putins Schattenfiguren, die befehlsausführenden Soldaten, ebenso vor ein internationales Kriegsgericht gestellt werden!

Marcus Stoercklé jun., Basel

Krieg ist die Hölle auf Erden. Es erfüllt mich einerseits mit Freude, dass so viele apolitische Menschen sich urplötzlich ehrenamtlich für Menschen in Not engagieren. Andererseits verstehe ich nicht, warum diese sich jetzt erst humanitär einbringen.

Warum? Weil die Betroffenen aussehen wie unsere Nachbarn? Weil es diesmal in Europa ist? Macht das diese neuen Gutmenschen nicht zu humanitären Rassisten? Was ist mit den Familien in Gaza, im Jemen, in Syrien, Libyen, Somalia, Äthiopien, Nigeria, Ägypten, Afghanistan, im Irak und vielen weiteren Ländern … Ich weiss nicht, was tun: Diese Menschen hassen oder unterstützen und hoffen, dass sie diese Arbeit für die Sache tun und nicht für Social Washing missbrauchen?

Ich kenne Menschen aus all diesen Regionen, deren Familien, deren Geschichte, deren Ohnmächtigkeit in der Schweiz. In der sie zwar Frieden finden, aber keine Perspektive. Sie werden ausgegrenzt, isoliert und im schlimmsten Fall in den Tod ausgeschafft. Ja, die Schweiz fliegt Menschen in den Tod. Man hat kein schriftliches Zeugnis, dass man gefoltert wurde, aber der Körper und die Augen dieser Menschen erzählen einem die Geschichte, die sie bewog zu fliehen. Diese Augen, erfüllt mit Schmerz und Verzweiflung, nicht zu wissen, was man tun soll, haben sich in mein Gedächtnis gebrannt.

Mein Freund, ich konnte dich nicht retten, verzeih mir …

Lukas Bühlmann, per E-Mail

Waffengewalt

«Krieg gegen die Ukraine: Mehr Waffen sind keine Lösung», WOZ Nr. 9/2022

Krieg ist die Folge eines «kranken Denkens» und führt dazu, dass breite Kreise die Logik über Bord werfen. Der WOZ und einzelnen Linken wie Sahra Wagenknecht ist es hoch anzurechnen, dass sie sich dagegen stemmen.

Nicht bloss aus moralischen Gründen soll man keinen Krieg führen, sondern in erster Linie aus Einsicht darüber, dass es eine Dummheit ist, zu töten und sich töten zu lassen für staatspolitische und Wirtschaftsinteressen. All die Tausenden, die gegen angebliche staatliche Manipulationen im Rahmen der Pandemiebekämpfung auf die Strasse gegangen sind, könnten jetzt ein Zeichen setzen gegen staatliche Indoktrination. – Keinen Cent mehr für die Waffenindustrie! Man bekämpft nicht das Feuer, indem man Öl hineingiesst. Man bekämpft nicht den Alkoholismus, indem man mehr Alkohol kauft. Man bekämpft nicht den Krieg durch Waffenkäufe.

Dass diese Unlogik noch so weit verbreitet ist, so wenige Stimmen dagegen zu hören sind, hängt mit einem Mangel an Psychologie zusammen, mit einem Kult um das Irrationale, wonach der Mensch weiterhin ein Mysterium bleiben soll, mit einer Verweigerung des klaren Denkens und selbstverständlich mit Marktkräften, die dies belohnen. 

Zahlreiche Beispiele zeigen, dass die Menschen lernfähig sind und selbstschädigendes Verhalten aufgeben können: im Kleinen (Rauchverbote in Restaurants, Gewaltprävention auf Schulhöfen) wie im Grossen (siehe die historischen Studien etwa von Rutger Bregman oder David Graeber und David Wengrow).

Lassen wir uns nicht verwirren. Die Sinnlosigkeit des Krieges zu erkennen, die Hohlheit der Phrasen von Vaterland & Co. und die echten menschlichen Bedürfnisse zu verstehen, sind im Grunde ein und derselbe Vorgang des Denkens, Fühlens, Handelns.

Peter Boller, Zürich