Im Affekt: Aus den lockeren Zwischenräumen

Nr. 13 –

Das Ende naht, bald wird das Festival in gefälligem Downtempo auslaufen, da schlägt noch mal etwas ein. Es ist Musik aus einer Stadt, die grösser, dichter, brutaler ist als diese hier, das hört man sofort. Ein schwerer Hip-Hop-Groove rollt einem entgegen, Gitarren raspeln und wieseln um den verbindlichen Beat herum, wie in einem spielerischen Bann. Farben von Garage, Post-Punk, Grunge sind herauszuhören, aber nichts von verengenden Rockleitplanken. Mittig der Musiker, Produzent und Rapper Miles Romans-Hopcraft alias Wu-Lu mit seiner dreiköpfigen Band aus Südlondon. Er erzählt und klagt von den Verwerfungen der Gentrifizierung, wütend und eindringlich, aber auch unglaublich cool.

Das Konzert von Wu-Lu war mit das Beste, was man am letzten Wochenende am M4Music-Festival im und um den Zürcher Schiffbau erleben konnte – neben praller Sonne, liebevoll-unverbindlichem Szenegewusel und der heiteren Frage, was all diese Leute hier eigentlich finden wollen. An diesem zweitägigen Anlass laufen ja immer diverse Programme gleichzeitig ab: Schaufenster für die Schweizer Popjugend, eine Konferenz, ein Branchenjahrmarkt, ein weitläufiger Stehapéro und ein Popfestival fürs Publikum. Doch Programme schienen dieses Jahr nebensächlich, so ungezwungen hat man das M4Music kaum je erlebt.

Den Tag durch gibt Priya Ragu, aufgewachsen in Bazenheid, St. Gallen, und nach internationalen Hits auf gutem Weg zum Popstar, einen Talk über ihre «Swiss success story». Ein paar Stunden später steht sie auf einer der Bühnen mit ihrer abgeklärten und voll wuchtiger Freude aufspielenden Band und singt ihre rhythmischen R-’n’-B-Hymnen. Aber auch von einer zur anderen Bühne gibt es drastische Schnitte, wie gleich anschliessend zum schwermütigen Synthpop der belarusischen Band Molchat Doma, die vor maschinellen Beats psychedelische Synthesizer tanzen lässt.

Kein Business as usual: Molchat Doma haben alle Interviews am Festival abgesagt, auch das mit der WOZ, weil sie nicht über Krieg sprechen wollen.