Rebell:innenrätsel: Der Autokratenschreck

Nr. 13 –

Ihre Radikalität zogen die politischen Aktionen der gesuchten Künstlerin immer auch aus wilder Symbolik, die autoritäre Regime bekanntlich gerne aus der Fassung bringt. Eine ihrer frühen Aktionen – sie war gerade hochschwanger – fand im staatlichen Biologiemuseum statt. Gemeinsam mit ihren Mitstreiter:innen zog sie sich vor einem ausgestopften Bären aus und stürzte sich zur «Feier» der bevorstehenden Wahl eines Marionettenpräsidenten in eine kleine Orgie. Der Politiker, auf den der Bär verweist, hatte kurz zuvor zur Steigerung der Geburtenrate aufgefordert.

Mittlerweile hat die selbsterklärte Anarchistin und Nomadin ihren Aktivismus mehrheitlich in die Welt der Blockchains und Kryptowährungen verlegt. Über NFTs, «einzigartige» digitale Objekte, sammelte sie innerhalb von fünf Tagen sieben Millionen Dollar gegen die terroristischen Aktionen des Diktators in ihrem Heimatland. Doch die Künstlerin, die eine Plattform für digitale Kunstwerke von Frauen und LGBTQ-Personen mitbegründet hat, macht sich deswegen keine Illusionen über die politische Realität im neuen Internet, wie sie dem «Guardian» erklärte: «Es ist so viel schwerer, zu beweisen, dass deine Worte Gewicht haben, wenn du zufällig eine Frau bist.»

Ihre Worte allein hätten wohl nicht gereicht, um Zorn und Rache des Autokraten zu provozieren und die Gesuchte und ihre Mitstreiterinnen weltweit als gerissene Aktivistinnen bekannt zu machen. Die berühmteste Aktion von ihr und ihrer Gruppe war ein Geniestreich politischer Performance, ein ungestümes Gehampel und ein subversiver Kniefall vor der Macht. Doch in irgendeinem Kunstkeller hätte das kaum interessiert, entscheidend war der Austragungsort, ein grotesker postmoderner Bau, ein Simulakrum frühimperialer Autorität. Der repressive Apparat reagierte aufgeschreckt und hart – und brachte die Aktion damit bereitwillig zur Vollendung.

Ihr Rückzug ins Exil und in den digitalen Aktivismus hat also auch damit zu tun, dass es in der Heimat für sie längst zu gefährlich ist. Als sie dort einmal eine Aktion ankündigte, um gegen einen mafiösen und propagandistischen Sportanlass zu protestieren, wurde sie von staatlichen Milizen verprügelt.

Wie heisst diese unermüdlich Engagierte, über die ein linker Philosoph einmal schrieb, ihre Aktionen würden die Kontinuität zwischen dem Stalinismus und dem globalen Kapitalismus aufdecken?

Wir suchten nach der russischen Künstlerin und Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa (*1989), die als ehemaliges Mitglied des anarchistisch-feministischen Performancekollektivs Pussy Riot weltweit bekannt wurde. Am 21. Februar 2012 führten Pussy Riot in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau ein «Punk-Gebet» auf, worauf Tolokonnikowa und zwei weitere Aktivistinnen zu zwei Jahren Straflager verurteilt wurden. Die Kathedrale war 1931 von Stalin gesprengt worden. Wladimir Putin weihte die wiederaufgebaute Kathedrale, die auch Hauptsitz der russisch-orthodoxen Kirche ist, 2000 zur Feier seiner ersten Amtszeit als russischer Präsident ein.