Im Affekt: Männerfantasien, neu verfilmt

Nr. 16 –

Die Kritiken sind euphorisch: «Derart eigenwillige Werke produziert die hiesige Kinolandschaft selten» (Tamedia). «Sinnlich wie Kar-Wais Filme, phantasievoll wie Andersens Märchen, tragisch wie Shakespeares Dramen» (NZZ). «‹Soul of a Beast› schafft es tatsächlich, die Schweiz zu jener vibrierenden Metropole zu verdichten, die Zürich so gerne wäre» (WOZ). Und es stimmt: Die Ästhetik des neuen Films von Lorenz Merz ist überwältigend. Zootiere auf dem Trip, Verfolgungsjagd im Maisfeld, wildes Rasen mit Skateboard und Töff: Zürich als Sommerfiebertraum.

Nur scheinen alle so besoffen von den Bildern, dass niemand mehr fragt: Was für eine Geschichte erzählt Merz da eigentlich? Zwei junge Männer, Gabriel und Joel, sind in dieselbe Frau verliebt. Was tun? Das Langweiligste, was Mann in dieser Lage einfallen kann: Sie prügeln sich. Und die Frauen? Zoé ist verpeilt und unfähig, Corey bleibt «geheimnisvoll», und Zoés Mutter ist das auf die Spitze getriebene Klischee der kalten, bösen Frau. Kein Wunder, kann sich Gabriel da nur noch mit dem Samuraischwert wehren. Die mühsame Zoé wird halb nackt verhaftet, während die angebetete Corey gern mit Tuch über dem Kopf gezeigt wird, damit sie noch mehr wie die Heilige Jungfrau aussieht. Und man kann es lustig finden, dass ein japanischer Sprecher den ganzen Film als kosmische Saga erzählt, aber was er erzählt, bleibt heteronormativer Ewigi-Liebi-Bullshit.

«Ist der Film bewusst gegen klassische Männerbilder gestrickt?», hat der Tamedia-Kritiker den Regisseur allen Ernstes gefragt. Das liegt wohl daran, dass Gabriel ein Kind hat. Als wäre das allein schon ein neues Männerbild. Der alleinerziehende Vater kann eben wirklich alles besser als die Frauen in diesem Film – was können die eigentlich? Geheimnisvoll schauen. Querflöte spielen. Und gebären.

Wer das alles für übertrieben hält, stelle sich kurz vor, die Hauptfigur wäre eine junge Frau. Wie viel Heldentum bliebe dann übrig? Man wäre einfach empört über eine Mutter, die ihr Kind allein in der Wohnung lässt.

Die Frau könnte auf dem Töff übrigens auch mal vorne sitzen – in der SRF-Serie «Frieden» ging das auch.