Im Affekt: Vom Saulus zum Saviour

Nr. 17 –

Der Wahnsinn hat viele Gesichter, und eins der bekanntesten davon gehört Xavier Naidoo. Der Schmusesänger, seit jeher als christlicher Fundamentalist bekannt, tat sich in der Pandemie nicht nur als Coronaleugner hervor, sondern gab sich auch als Anhänger des irren «QAnon»-Kults zu erkennen: Im Frühjahr 2020 schluchzte Naidoo aufgelöst in sein Smartphone und stammelte etwas über entführte Kinder und pädophile Netzwerke zusammen. Der Clip verbreitete sich viral, und seither zählt Naidoo zu den Promis in der Querdenker:innenszene.

Damit soll nun aber Schluss sein. In einem neuen Video erklärt der Popstar, er habe sich auf «Irrwegen» befunden, und entschuldigt sich für seine «verstörenden Äusserungen» aus der Vergangenheit. Dies mag prinzipiell begrüssenswert sein. Naidoo allerdings ist mindestens ein mittelschwerer Fall.

Über Jahrzehnte stand der Mannheimer rechtsextremen Ideen nahe. Schon 2002 (!) kommentierte der Popkritiker Martin Büsser Naidoos Frühwerk mit den Worten: «Wäre diese Musik nicht mit Rap und Soul unterlegt, […] hätten die Feuilletons längst mit Fug und Recht warnend die Rechtsrock-Bremse gezogen.» Die Bremse zog aber niemand, und so kamen im Lauf der Jahre antisemitische Songs (etwa über «Baron Totschild» von der «Keinherzbank») und Auftritte im «Reichsbürger»-Milieu hinzu. Zuletzt nahm Naidoo mit dem Leadsänger der Naziband Kategorie C einen Song auf – einem Mann, der Anfang der Neunziger an einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim beteiligt gewesen war.

Ein paar Minuten «mea culpa» sind da ein bisschen wenig. Auffällig oft verwendet Naidoo in seiner Entschuldigungsrede das Adverb «teilweise», zudem sagt er sich sicherheitshalber nicht nur von Rassismus und Homophobie los, sondern gleich von «allen Extremen» – nicht dass einer auf die Idee kommt, er sei jetzt in der Antifa. Ob das reicht, um bald wieder Stadien mit aufdringlichem Kleinbürgerkitsch beschallen zu dürfen? Nicht auszuschliessen. Was das Verzeihen von Nazikram angeht, hat man in Deutschland ein weites Herz.

Noch immer spricht Naidoo übrigens seinen Vornamen wie das englische Wort für «Erlöser» aus. Unironisch, versteht sich.