Im Affekt: Wer ist da analfixiert?
Geht mal wieder alles den Bach runter: Die Sexabteilung der SVP, genauer Nationalrätin Verena Herzog, wittert einmal mehr die Verluderung der Schweizer Jugend durch Sexuelle Gesundheit Schweiz, die Dachorganisation der Fachstellen für sexuelle Gesundheit, die schändlicherweise vom Staat unterstützt wird. In einer Interpellation richtet sich Herzog gegen die Broschüre «Hey You», weil diese schon Zwölfjährigen erkläre, was eine trans Person ist und dass es Sextoys gibt (die man ab und zu mal waschen sollte, ja!). Gegen Aufklärung habe sie nichts, «einfach nicht so», weil: zu früh und zu explizit. Bereits vor zwei Jahren wollte Herzog Gelder der Organisation streichen lassen, weil die Kopräsidentin in einem Interview sagte, wenn Kinder masturbierten, sei das nichts Schlimmes.
Weil «Sex» und insbesondere «Anal-Plugs» als Schlagwörter vermutlich ziemlich abgehen, hob «20 Minuten» den prüden Feldzug Herzogs auf die Titelseite. Die Passant:innen, die von dem Blatt nach ihrer Meinung gefragt wurden, fanden «Hey You» aber fast ausschliesslich entweder wichtig oder zumindest unbedenklich.
Tatsächlich ist die Publikation so harmlos wie umfangreich, erzählt in zugänglicher Sprache übers Verliebtsein, die Veränderungen des Körpers und, ganz krass, auch über verschiedene Spielarten der Sexualität. Im Gegensatz zu den Aufklärungsmaterialien der neunziger und nuller Jahre weiss «Hey You», wie eine Klitoris aussieht, und verzichtet ziemlich selbstverständlich darauf, alles Unmögliche in männlich und weiblich aufzuteilen. Und siehe da, so verwirrend ist das gar nicht.
«Was beim Lesen vor allem auffällt, ist die Anal-Fixiertheit der Autoren», schreibt derweil der Journalist der NZZ, der zwar nicht mit Herzog in den verklemmten Topf geworfen werden will, mit «Hey You» aber anscheinend seine eigene Mühe hat. Das Thema Analsex, abgesehen von einigen praktischen Tipps im Kapitel zu Safer Sex, kommt in der 60-seitigen Broschüre genau zweimal vor.
Die Broschüre lese sich wie ein Porno, schreibt die NZZ. Schön, dass es in Pornos so zärtlich zu- und hergeht.