Im Affekt: Für alle statt für wenige?
Ab und zu fragt sich die Zürcherin, woran sie merkt, dass sie in einer rot-grün regierten Stadt wohnt. Wenn es heiss wird, zum Beispiel. Während der Hitzewelle im Juli liess Tamedia nach Mitternacht eine Drohne mit Wärmebildkamera durch die Stadt fliegen. Das Resultat: Die Altstadt und die alten Arbeiter:innen- und Industriequartiere sind Hitzeinseln, stein-, teer- und betonversiegelte Räume. Erstaunlicher: Auch mehrere der neu gebauten Zonen wie etwa die verkehrsberuhigte Weststrasse oder die Europaallee beim Hauptbahnhof sind viel zu heiss. Offenbar hat es niemanden interessiert, menschenfreundlich zu planen. «Eisgasse» heisst eine der erbarmungslosesten Seitenstrassen der Europaallee. Wird Ihnen schon etwas kühler?
Wer sich statt mit Drohne per Velo in den Nahkampf mit der städtischen Hitze wagt, merkt noch ein paar andere Dinge. Etwa dass Autos, denen man in den engen, velowegarmen Strassen viel zu nahe kommt, wie Heizkörper funktionieren. Deren runtergekühlte Insass:innen hocken im klimatisierten Innern, während es denen draussen mit jeder Blechkistenannäherung noch heisser wird. Umgekehrter Effekt, wenn man einen Baum, oder noch besser, mehrere Bäume passiert: Es wird spürbar ein paar Grad kühler. Sogar die in den Asphalt gesperrten dünnen Strassenbäumchen helfen ein wenig; grössere Grünflächen wirken beim Vorbeifahren wie Klimaanlagen. Wer den Effekt einmal erlebt hat, vergisst das nie wieder.
Während die Stadtpräsidentin gern die Klimajugend für ihre «Hartnäckigkeit» lobt und das «ehrgeizige Ziel» der 2000-Watt-Gesellschaft ins ausgetrocknete Feld führt, weist der Experte im «Tages-Anzeiger» darauf hin, dass Zürich «seit 35 Jahren» wisse, dass die Hitze ein Problem werde. Trotzdem erstelle die Stadt weiterhin vor allem «harte Flächen». Diese heizen sich stark auf und strahlen nachts Wärme ab. Hohe Temperaturen auch in Basel: Auch dort zeigen Messungen, dass das erst 2013 eingeweihte Messezentrum eine veritable Hitzeinsel ist. Herzog und de Meurons «architektonische Perle für Basel» will «Fenster zum Himmel» sein – und erweist sich als Tor zur Hölle. Oder ganz unpathetisch: als teuer verbauter, grausam unwirtlicher öffentlicher Raum.
Der Regierungsrat von Basel-Stadt posiert auf seinem aktuellen Gruppenfoto in einem Gewächshaus. Ob die grünen Setzlinge etwas Kühle spenden?