Im Affekt: Freigeist mit Haarausfall

Nr. 32 –

Deutscher Pop und Verschwörungsgeraune: eine unendliche Geschichte. Nicht nur sind da die Querdenker:innen Nena und Xavier Naidoo, auch der Rapper Kollegah ist schon länger für Verse bekannt, die geschmacklos auf den Holocaust anspielen und Verschwörungstheorien zitieren. Letzteres gilt etwa für den Song «NWO» aus dem Jahr 2013, in dem es um die angeblichen Pläne einer ominösen Elite geht, eine neue Weltordnung zu errichten.

Wenn ein Freigeist dieses Schlages jetzt ein neues Album mit dem Titel «Free Spirit» veröffentlicht, verheisst das wenig Gutes. Und wirklich geisselt der selbsternannte «Boss» schon im Titelstück die angeblich allgegenwärtige Gehirnwäsche, um sich selbst dann flugs zum Kreationismus zu bekennen: «Sind wir wirklich nur ein Staubkorn im All? / Ein Zufallsprodukt aus Sternenstaub eines lautlosen Knalls? / Wie passt Big-Bang-Theorie zu dem Forschungsergebnis / dass aus Chaos nie von selbst Ordnung entsteht?» Mehr ist über dieses doch recht bemerkenswerte «Forschungsergebnis», das die Existenz eines Schöpfergottes beweisen soll, leider nicht zu erfahren – was einen Twitter-User zur Nachfrage provozierte: «Kollegah, wenn Evolution nicht echt ist, wie erklärst du dann deinen erblich bedingten Haarausfall?»

Es bleibt aber nicht beim lächerlichen Kokettieren mit dem religiösen Fundamentalismus, das ganze Album ist ein einziges Sammelsurium des Verschwörungswahns: Mal geht es um Chemtrails und Geldkritik, dann um Maskenpflicht und rote Pillen, die Verblendeten die Augen öffnen sollen. Und natürlich ist da auch wieder die geheimnisvolle Elite, die finstere Absichten hegt. Blanker Hohn also, dass Kollegah auch noch einen auf Kant macht: «Vertrau nur auf deinen Verstand / Keine Autorität, free spirit». Simulation von Kritik wie aus dem Incel-Forum – das darf man dann doch getrost einfach skippen.

Im Frühjahr wurden Vorwürfe laut, viele der gefürchteten Punchlines des genialen Geists seien der Arbeit von Ghostwritern entsprungen – für die Enthüllung müsste Kollegah dankbar sein.