Auf allen Kanälen: Die Frucht kollektiver Recherche
Endlich ermittelt die deutsche Staatsanwaltschaft im AfD-Spendenskandal.
Jahrelang hat die rechtsextreme deutsche AfD von einer Swiss Connection profitiert: Viele Millionen Euro flossen über einen dubiosen deutschen Unterstützerverein und die SVP-Werbeagentur Goal AG aus Andelfingen seit 2015 in Werbung für die Partei. Überall in Deutschland klebten Wahlplakate, die Hass auf Migrant:innen schürten. Die Partei selbst behauptete stets, die schwerreichen Unterstützer:innen der Kampagne nicht zu kennen und auch nichts abgesprochen zu haben.
Dies war die sichtbare Oberfläche eines Parteispendenskandals, der all die Jahre von umfassenden staatsanwaltlichen Ermittlungen verschont blieb. Hingegen recherchierten ein gutes Dutzend Journalist:innen: von «Spiegel», «Zeit», «Süddeutscher Zeitung», den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten WDR, NDR und SWR, der Rechercheplattform Correctiv und auch der WOZ. Allein oder in Kooperationen folgten sie den Spuren des Geldes und trugen die Puzzleteile zusammen. Mit der Zeit erhärtete sich der Verdacht, dass es sich um eine der wohl grössten Parteispendenaffären der deutschen Geschichte handeln könnte.
Die Spur des Geldes
So wurde 2017 publik, dass Alice Weidel als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl auf ihr Wahlkampfkonto in ihrem Kreisverband 150 000 Schweizer Franken vom in Zürich lebenden Immobilienunternehmer Henning Conle bekommen hatte. Verschleiert wurde die Spur des Geldes zunächst über eine Pharmafirma und dann über angebliche Strohleute, die sich als Fake erwiesen. Die Öffentlichkeit hörte den langjährigen AfD-Chef Jörg Meuthen scheibchenweise zugeben, dass er im Wahlkampf 2016 in Baden-Württemberg zwar von Goal-AG-Chef Alexander Segert – seinem angeblichen Freund – unterstützt wurde, dies aber ohne das Wissen der Partei geschehen sein soll. Und vergangenes Jahr kam heraus, dass millionenschwere Plakatwerbekampagnen für die AfD in den Jahren 2016 bis 2018 von der Goal AG gebucht worden waren.
Erstaunlicherweise kamen die Beteiligten bisher nahezu ungeschoren davon. Zwar hat die AfD inzwischen Strafbescheide über mehr als eine Million Euro wegen Verstössen gegen das deutsche Parteienrecht bekommen, gegen die sie sich teils juristisch wehrt. Doch gemessen am Gegenwert der Kampagnen, der sich Schätzungen zufolge auf mehr als sechs Millionen Euro beläuft, war das extrem billig.
Das journalistische Puzzlespiel hat längst nahegelegt, dass es sich hier wohl um keine vollkommen unabhängige Kampagne Dritter handelt, die das deutsche Parteienrecht bisher kurioserweise erlaubt. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass es in der Partei Funktionär:innen gab, die sich mit den Gönner:innen im Hintergrund und ihren Beauftragten sehr wohl abgesprochen haben. Und doch dauerte es Jahre, bis nun endlich auch der Staat tätig geworden ist.
Der Schritt kommt spät
Vergangene Woche haben die Generalstaatsanwaltschaft Berlin und die dortige Kriminalpolizei die AfD-Parteizentralen in Berlin und an sechs weiteren Orten durchsuchen lassen, um Beweise für solche Absprachen zu suchen. Sollte es den Ermittler:innen gelingen, ihren Verdacht zu beweisen, drohen nicht nur strafrechtliche Folgen. Die Wahlkampfhilfen würden zu Parteispenden, zu illegalen Strohmannspenden – die die AfD im Rechenschaftsbericht an den Bundestag zudem unterschlagen hätte. Praktisch hiesse das: Der AfD drohten dann Strafbescheide in zweistelliger Millionenhöhe.
Doch der Schritt kommt spät. Was die Ermittler:innen nach all dieser Zeit noch an Material vorfinden können, ist fraglich. Zudem fanden in der Schweiz, wo die Fäden zwischen Geldgeber:innen und Geldverteiler:innen offenbar zusammenliefen, bislang keine Durchsuchungen statt. Womöglich motiviert allein die Tatsache, dass nun Staatsanwält:innen Druck machen, auch mögliche Zeug:innen zum Auspacken. So könnte diese von Journalist:innen herbeigeführte Wende eine neue Chance zur Aufklärung sein.
Katja Riedel arbeitet im Investigativressort des Westdeutschen Rundfunks und hat mehrere Recherchen über den AfD-Spendenskandal veröffentlicht. Am 18. Oktober erscheint im Rowohlt-Verlag ihr gemeinsam mit Sebastian Pittelkow geschriebenes Buch, «Rechts unten. Die AfD. Intrigen, heimliche Herrscher und die Macht der Geldgeber».