Im Affekt: Hat jemensch ein kaputtes Hoverboard?

Ein paar Funde der letzten Tage: eine Kinderregenhose, ein Ticket fürs Theaterstück «Medea», der Kopf einer Buddhastatue, ein Fläschchen Holzbeize, eine Packung Kirschschokolade, zwei Näpfe für Nagetiere, Strickwolle, Bremsflüssigkeit für ein Motorrad, ein grasgrünes Seidenhemd, ein Baucontainer, eine Fussschiene, ein spezieller Leim, um Puzzles zu fixieren, weiter unten ein 1500-teiliges Puzzle in Herbstfarben, am liebsten zum Tausch gegen ein einfacheres («Habe mich überschätzt», schreibt die Person, die es anbietet). Zu finden ist all das in einer Gruppe im Messengerdienst Telegram, die man gründen müsste, gäbe es sie nicht schon: im «Unkommerziellen Marktplatz». Und wie der Name sagt: alles gratis.
Neben der eher streng ausgelegten politisch korrekten Sprache («jemensch» statt «jemand») ist das schon die einzige Regel: Alles muss hier verschenkt werden. Man darf auch nach Sachen suchen, die eine andere Person vielleicht zu vergeben hat. Kenner:innen wissen also sofort, wo sie sich befinden, wenn sie einen Satz wie diesen lesen: «Hat jemensch per Zufall ein kaputtes Hoverboard herumliegen?»
Die Gruppe in Zürich hat bereits knapp 15 000 Mitglieder und wächst konstant, Ableger gibt es in Basel, Winterthur und St. Gallen. Analog zum Marktplatz gibt es auch den «Unkommerziellen Pflanzenmarkt» und die «Unkommerzielle Agenda» (für Veranstaltungen ohne Eintritt).
Die Gruppe hat unzählige Vorzüge. Wiederverwenden statt wegwerfen ist ökologisch sinnvoll. Und man kann hier auch erleben, wie befriedigend es ist zu verschenken. Bietet man einen attraktiven Gegenstand an (zuletzt probiert mit einer gefälschten Louis-Vuitton-Tasche), kriegt man innerhalb von Minuten Dutzende Nachrichten – und rasch ist man um den Gegenstand erleichtert. Nicht zuletzt ist es auch einfach faszinierend zu beobachten, welche Berge von Schrott eine sogenannte Konsumgesellschaft so auswirft. Und wie Plunder für andere plötzlich zur begehrten Rarität wird.
Damit jetzt niemand mit Purismus kommt: Ohne exzessiven Konsum wäre der «Unkom» nicht möglich.