Im Affekt: Eine frohe Botschaft

Nr. 51 –

Kennt jemand ein Weihnachtslied, in dem eine Fritteuse vorkommt? Steht in dieser Bethlehemstory eigentlich irgendetwas von Glühweinbesäufnissen? Und was zur Hölle haben «Korean Cheesy Corn Dogs», «Feenlichter» in Gestalt von pinken Einhörnern und ein bumsvolles Hüttendorf mit einem einfachen Stall zu tun? Solche Fragen kommen einem fast zwangsläufig, wenn man sich dieser Tage im Zürcher Hauptbahnhof am Weihnachtsmarkt und seinen Ausdünstungen vorbeizwängt. Der flehentliche Blick gen Himmel trifft nur auf den knallbunten «Schutzengel» von Niki de Saint Phalle. Der hängt das ganze Jahr dort an der Decke, schon klar, aber bei akuter Überfüllung der Bahnhofshalle fällt er halt noch etwas negativer auf. Wohin soll man sich bloss wenden?

Dass wir diesen Satz endlich einmal schreiben dürfen: Nahe Rettung verspricht das Zürcher Kunsthaus! Dort wird eine Ausstellung zum Gesamtwerk der Engelkünstlerin gezeigt. Man kommt schnell ins Staunen. Denn das radikale frühe Schaffen der später oft auf ihre «Nanas» reduzierten Niki de Saint Phalle (1930–2002) hat mit den beliebten Frauenplastiken nur wenig zu tun – zumindest auf den ersten Blick. Da sind etwa ihre «Schiessbilder»: Gemälde, in die Saint Phalle Farbbeutel einarbeitete, um sie dann mit dem Gewehr zur Skulptur zusammenzuschiessen. Überhaupt: Aktionskunst! Viel Wut auf Institutionen und das Patriarchat bricht sich hier Bahn. Im Interview aus den sechziger Jahren kommt Saint Phalles Bekenntnis zu Black Power und Feminismus ebenfalls wie aus der Pistole geschossen. Eindrücklich sind auch die grossen dreidimensionalen Collagen, etwa diejenige einer gebärenden Monsterfrau, modelliert aus nackten Bääbi, Spielzeugpferden, Blumen, Spinnen.

Angesichts solcher Werke wirken die «Nanas» tatsächlich, als seien hier Ecken und Kanten, wilde Haare und Blicke zur allzu glatten Form verputzt worden. Doch mit dem durch das anarchische Frühwerk neu geschärften Blick spitzt man sich auch diese «Nanas» mühelos zu subversiven Figuren zusammen.

Die Ausstellung wurde bis zum 15. Januar 2023 verlängert, Feiertagsöffnungszeiten: www.kunsthaus.ch.