Vivienne Westwood (1941–2022): Lang lebe die Queen!

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Beim Betreten ihrer Boutique in London – «Sex» hiess diese Mitte der siebziger Jahre gerade – sei einem ein «ekelhaft süsslicher Geruch von Latex» entgegengeschlagen. So erinnert sich Viv Albertine, Gitarristin der wichtigen Punkband The Slits, in ihrer Autobiografie. Doch Vivienne Westwoods «Sex» war viel mehr als ein Kleiderladen. Das Lokal, das sie da noch mit ihrem damaligen Mann und Geschäftspartner Malcolm McLaren betrieb, war ein wichtiger Treff- und Inspirationspunkt für den Haufen von Musiker:innen und Freaks, die als Londoner Punkszene bald Popkulturgeschichte schreiben sollten. McLaren wurde Manager der Sex Pistols, im Laden erhielten die Punks ihren zentralen ikonischen Look. Für Albertine ist der Zusammenhang zwischen Pop und Mode zentral, als Musikerin in den siebziger Jahren umso mehr, noch fast ohne weibliche Vorbilder. Mit ihrer kompromisslosen Art und ihren eigenwilligen Looks sei Westwood für sie das wichtigste Vorbild gewesen: «In ihren Laden zu gehen, machte mich visuell bewusster als alles, was ich an der Kunstschule gelernt hatte.»

Vivienne Westwood, 1941 als Vivienne Isabel Swire in eine Arbeiter:innenfamilie in Nordengland geboren, starb am 29. Dezember als globale Modeikone und Chefin eines bis zum Schluss unabhängigen kleinen Modeimperiums. Ihr Stil habe sich ausgezeichnet durch «diese eigentümliche britische Mischung von Geschichte, Klasse, Sex, Romantik und Tradition», so die Modejournalistin Anna Wintour. Westwood liess in ihren Entwürfen Vergangenheit und Gegenwart kollidieren, bediente sich genauso im 17. und 18. Jahrhundert, bei schottischem Karo und traditioneller Schneiderei wie bei Hip-Hop und BDSM.

Wer sonst kann von sich behaupten, dass Miley Cyrus und Camilla, die aktuelle britische Königin, ihre Kleider trugen? Westwood war ganz oben, das Metropolitan Museum of Art in New York wie das Victoria and Albert Museum in London ehrten sie mit Retrospektiven; aber ihren Drang zum Widerstand bewahrte sie sich. Bis ins hohe Alter fiel sie als Aktivistin auf, ob für die Occupy-Proteste, ein unabhängiges Schottland, Julian Assange oder das Klima. Als Camillas spätere Schwiegermutter ihr 1992 einen royalen Orden verlieh, erschien die Designerin im Palast in einem adretten Kostüm mit Rock, unter durchsichtigen Strümpfen trug sie nichts als einen stolzen Busch Schamhaar.