Leser:innenbriefe

Nr. 2 –

«Bachmann – Frisch: Viel Rummel um ein Verhängnis», WOZ Nr. 50/22

Den Briefwechsel von Ingeborg Bachmann und Max Frisch zu lesen, fordert einem so manches ab. Stets ist man sich gewahr, dass Bachmann die Briefe niemals hätte veröffentlicht haben wollen. Mit Demut las ich sie dennoch wie auch diejenigen von Frisch. Der sprachliche Ausdruck der beiden Persönlichkeiten ist ein Zeugnis davon, wozu Sprache imstande ist. Sie kann klären, verständlich machen, sie kann aufdecken, unter anderem, dass man nicht von den gleichen Parametern ausging. Dies so schmerzlich, dass ich zwischendurch die Briefe zur Seite legen musste. Ihre Sprachkraft erzählt von einem Versuch, Liebe frei zu leben. Nicht mehr und nicht weniger als das. Falsch verstanden scheint es mir, daraus die Schuld einer Person lesen oder jemanden rehabilitieren zu wollen. Diese Interpretation zeigt uns lediglich, dass wir geneigt sind, uns auf eine Seite stellen zu wollen. Doch erst mit der Reflexion meines Lese- und Deutungsverhaltens gebe ich den beiden Menschen ihre Würde als Liebende zurück. Nur unser gedanklicher Umgang kann die Veröffentlichung grosser Intimität legitimieren.

Bettina Hag, per E-Mail