Im Affekt: «Wo würden Sie sich politisch einordnen?»

Nr. 7 –

Schlimm muss es um die Universitäten stehen – zumindest wenn man konservativen Markenbotschafter:innen Glauben schenken mag. Seit Jahren schreiben die sich die Finger wund, um vor woken Student:innen und dem Terror der «Political Correctness» zu warnen. Man traut sich schon gar nicht mehr in die Nähe eines Campus: Es könnten einem ja aufgepeitschte Aktivist:innen auflauern, um aggressiv Pronomen abzufragen.

Bei Tamedia dachte man sich deswegen, es sei eine gute Idee, den universitären Zuständen mittels einer Umfrage nachzugehen. «Mehrere Tausend aktive» Professor:innen bat das Ressort «Daten & Interaktiv» um Auskunft. In den USA und Deutschland würden «intensive Debatten zur Wissenschaftsfreiheit» geführt, es stelle sich daher die Frage: «Wie sieht es an Schweizer Universitäten aus?»

Bei einigen der Angeschriebenen sorgte das Mail allerdings für Befremden. Die Slawistin Sylvia Sasse etwa machte in einem Facebook-Post ihrem Ärger über die tendenziösen Fragen und die unreflektierte Übernahme rechter Begrifflichkeiten («Cancel Culture») Luft: Tamedia solle lieber den Missständen im eigenen Haus nachgehen, schrieb sie in Anspielung auf die jüngsten Mobbingvorwürfe einer ehemaligen «Magazin»-Redaktorin.

Tatsächlich endet die Erhebung mit der Frage, ob in der Schweiz auch ein «Netzwerk Wissenschaftsfreiheit» wie in Deutschland nötig sei – in der Umfrage übrigens falsch als «Netzwerk Wissenschaftsarbeit» tituliert. Die Selbstdarstellung dieses Klubs rechter Akademiker:innen, die sich dem Kampf wider die Angriffe auf «die Freiheit von Forschung und Lehre aus ideologischen Motiven» verschrieben haben, wird kritiklos referiert. Dabei hätte man ja erwähnen können, dass von dem Netzwerk bislang wenig zu hören war über die Drangsalierung der Gender Studies in Polen oder Ungarn, prekäre Arbeitsverhältnisse an Hochschulen oder die Ökonomisierung von Bildung. Das hätte wohl nicht in die Erzählung von einer linken Tugenddiktatur gepasst.

Dass das Bildungssystem die Chancen jener cancelt, die aus ärmeren Verhältnissen kommen, hätte mehr Aufmerksamkeit verdient als rechte Schreckgespenster.