Diesseits von Gut und Böse: Vernünftig und schlau
Stellen Sie sich einfach mal vor: Aus Ihrer alten Wohnung müssen Sie raus, weil die Überbauung saniert wird. Sie sind verzweifelt, doch ein Wunder geschieht: Sie finden – trotz Wohnungsnot und -überteuerung – eine neue Bleibe. Die ist knapp über der Grenze des für Sie finanziell Erträglichen, also haben Sie schon tagelang Ihr Budget durchgerechnet, halbe Nächte wach gelegen, sich gedreht und geseufzt.
Doch in einer Nacht tiefster Not erscheint er Ihnen: Olivier Feller. Unablässig lächelnd, genauso wie er kürzlich in der SRF-«Tagesschau» der Journalistin Auskunft gab, steht der FDP-Nationalrat und Direktor des Westschweizer Hauseigentümerverbands plötzlich an Ihrem zerwühlten Bett und sagt mild: «Sie müssen doch keine Angst haben! Selbst wenn Sie den Mietvertrag schon unterschrieben haben und dann finden: Nö, nö, der Anfangsmietzins ist zu hoch, der ist missbräuchlich, dürfen Sie den anfechten! Wir haben ein gutes Mietrecht.»
Am nächsten Tag unterschreiben Sie den Vertrag, zitternd zwar, aber Olivier Feller hat auch noch gesagt: «Die meisten Mieterinnen und Mieter sind vernünftige und schlaue Leute, sie spüren, ob ein Mietzins missbräuchlich ist oder nicht.» Vernünftig und schlau sind Sie schliesslich auch.
Dann stehen Sie zwischen all den Möbeln und Kisten in der neuen Wohnung, in der seit Jahren nichts mehr gemacht wurde, und spüren, wie missbräuchlich sich der Mietzins anfühlt. Dreissig Tage haben Sie Zeit, ihn anzufechten. Den oder die Vormieter:in kennen Sie nicht, bei der Besichtigung hatten Sie 78 Mitbewerber:innen, die Angestellte der Hausverwaltung war unterkühlt. Vielleicht ist es auch ein privater Vermieter, gmögig und herzlich. Egal – wieder wälzen Sie sich durch verzweifelte Nächte.
Beim Gedanken, wie Sie sich mit Ihrem Anliegen in Windeseile unbeliebt machen werden, überkommt Sie das heulende Elend: Man wird sich an mir rächen, als querulantisch werde ich gelten. Also überlegen Sie, wo Sie sonst sparen können, ärgern sich und tun – nichts.