Leser:innenbriefe

Nr. 12 –

Service public und Markt

«Das grosse Marktversagen: Die bürgerliche Subventionsjagd», WOZ Nr. 10/23

Leider ist der Service public neoliberal zerfressen. Schalter bei Post und SBB werden geschlossen, alles ab ins Internet. Die Arbeit an die Kund:innen abgeschoben, aber ihnen als Mehrwert angedreht.

Anstatt Kondukteure BahnUNsecurity. Neogewinnmaximierung bei SBB Immobilien. Bei der Swisscom: marktliberaler Tarifsalatschwindel.

Woher die Idee, dass der Service public Gewinne abwerfen muss? Grundsätzlich gehört er uns allen; es sind die Strukturen, die wir uns für das Funktionieren unseres Gemeinwesens eingerichtet haben, und wir bezahlen dafür sowieso/auch. Alles andere sind Witze von HSG-Untoten.

Paul Dorn, Zürich

Die fressende Revolution

«Politische Gefangene aus Nicaragua: ‹Es war wie in einer Gruft›», WOZ Nr. 10/23

Als der Schriftsteller Sergio Ramírez – Ortegas ehemaliger sandinistischer Kampfgefährte und mehrere Jahre Vizepräsident von Nicaragua – 2021 seinen Kriminalroman «Tongolele no sabía bailar» (Tongolele konnte nicht tanzen) veröffentlichte (er behandelt die Ereignisse vom April 2018, als Daniel Ortega und Rosario Murillo friedliche Proteste und Demonstrationen für mehr Demokratie brutal niederschlagen liessen), stellte der neue Diktator einen Haftbefehl auf ihn aus.

Sergio Ramírez befand sich zum Glück gerade in Costa Rica. Jetzt lebt er im Exil in Spanien. Vor wenigen Wochen nun hat ihm Ortega die Staatsbürgerschaft aberkannt, wie den andern, in die USA ausgeflogenen Gefangenen. Die Revolution frisst ihre Grossmütter (Dora Maria Téllez) und Grossväter (Sergio Ramírez).

Heinz Scheidegger, Linescio

Tendenziöse Haltung

«Schweiz–Ukraine: Die Neutralität als Falle», WOZ Nr. 11/23

Bundespräsident Alain Berset hat keine «absolut strikte Auslegung der Neutralität» gefordert und das auch nicht gemeint. Er hat sich auch nicht generell zu den Waffenlieferungen anderer Länder an die Ukraine geäussert, sondern betont, dass die Schweiz in ihrem Neutralitätsverständnis die besseren Möglichkeiten zur Friedensvermittlung besitze.

Das Einzige, was er – diplomatisch oder undiplomatisch – sagte, war, dass gewisse Kreise in einen Kriegsrausch geraten seien. Und es ist allen klar, wer damit gemeint war: die Militaristen in aller Welt und auch in der Schweiz, die Unsummen für Rüstungsausgaben verlangen – vor allem im Interesse der Waffenindustrie. Das darf man eurer Meinung nach nicht mehr öffentlich sagen. Ich aber bin Alain Berset dankbar für diese Äusserung und ich denke, sie war im Sinne der meisten SP-Genoss:innen.

Mir ist es ein Rätsel, weshalb ihr eine so tendenziöse Haltung in einer populistischen Verdrehung der Wahrheit einnehmt. Es geht überhaupt nicht um Neutralität, auch nicht um «Engerführung» der ohnehin lückenhaften Neutralität der Schweiz, so wenig wie es der SVP um Neutralität geht; ihr geht es in diesem Fall vor allem darum, die Linken am Widerstand gegen Militarismus und steigende Militärausgaben zu hindern und vor allem den verhassten sozialdemokratischen Bundesratspräsidenten zur Sau zu machen.

Linda Stibler, SP-Mitglied seit fünfzig Jahren, per E-Mail

Pflanzlich produzieren

«Klimapolitik: Bündner Bäuer:innen testen die Zukunft», WOZ Nr. 11/23

Am klimaneutralsten wäre die Landwirtschaft, wenn sie nur noch pflanzlich produzieren würde. Dann würden genug Talackerböden frei, die heute für Tierfutter gebraucht werden. So wären auch die sowieso schwierig zu nutzenden Bergweiden für die menschliche Nahrungsproduktion gar nicht mehr nötig. Man wäre nicht nur sehr klimaschonend, sondern auch ethisch unbedenklich: Endlich müsste man nicht mehr jährlich 84 Millionen empfindsame Landtiere allein in der Schweiz züchten für ein kurzes entbehrungsreiches Leben, das unweigerlich mit der aktiven Tötung endet.

Wir hätten die Wahl, Tiere nicht!

Renato Werndli, Eichberg