Im Affekt: Die gansersche Consecutio

Nr. 14 –

Diskussionen in den sozialen Medien sind bekanntermassen nach eigenen Regeln strukturiert. Da gibt es beispielsweise die gansersche Consecutio, die immer dann zur Anwendung kommt, wenn der sogenannte Friedensforscher Daniele Ganser kritisiert worden ist. Da wird einem sofort vorgehalten, bloss auf den Mann zu spielen, weil man Gansers Argumenten nicht beikomme. «Ad hominem», heisst es dann, würden Vorwürfe erhoben. Womit wir schon bei der zweiten Regel sind: Wer mit lateinischen Phrasen hantiert, outet sich im Netz wie im übrigen Leben als Wichtigtuer:in.

Lange Zeit die wichtigste Regel fürs Verständnis von Netzdebatten war Godwin’s Law, ein Gesetz, formuliert schon 1990 vom amerikanischen Juristen Mike Godwin. Demnach mündet jede Onlinediskussion früher oder später in einen Hitler- oder Nazivergleich. Das Gesetz hat allerdings über die Jahre problematische Nebenwirkungen gezeigt: Wer tatsächliches Nazitum kritisiert, erntet schnell den Vorwurf, die «Nazikeule» zu schwingen. Godwin selber intervenierte deshalb, als er auf Facebook einmal als Instanz angerufen wurde, um die eigentlich richtige Bezeichnung eines Attentats als rechtsextrem zu bestreiten: «Vergleichen Sie diese Scheisskerle unbedingt mit den Nazis. Immer und immer wieder», riet er.

Ein neueres Phänomen zeigt sich seit der Coronapandemie: Egal was Anlass der Diskussion ist – irgendwann geht es um Impfungen oder Luftfilter. Als kürzlich Thierry Burkart (FDP) auf Twitter ein Boniverbot für CS-Manager forderte, wollte ein Andreas prompt wissen, wann «Berset endlich zur Rechenschaft gezogen wird» für seine Impfkampagne. Und als SP-Chefin Mattea Meyer feststellte, dass dieselben, die der Credit Suisse viel Geld geben, bei der AHV sparen wollen, fragte ein Philipp, «wie viel Luftfilter in Schulen zum Schutz der Kinder kosten, damit sie nicht dauernd mit Covid verseucht werden». Klar, die Frage kann man stellen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Man kann aber auch, und diese Regel gilt immer und überall, einfach mal beim Thema bleiben.

Die Gültigkeit von Godwin’s Law stellte diese Woche Mike Müller unter Beweis, der die Krawalldemo in Zürich auf Twitter mit der Reichskristallnacht verglich. Quo vadis, Mike?