Verfahren gegen Lina E.: Die Unruhe nach dem Urteil

Nr. 22 –

Nach genau 98 Verhandlungstagen ist am Oberlandesgericht Dresden das Verfahren gegen Lina E. und die drei weiteren beschuldigten Antifaschisten zu Ende gegangen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen die Bildung einer «linksextremistischen kriminellen Vereinigung» vor, deren Ziel es gewesen sei, Rechtsextreme und Neonazis zu überfallen. Die Gruppe soll für mindestens sechs Angriffe und einen unvollendeten Versuch verantwortlich sein.

Das sächsische Oberlandesgericht ist denn auch von der Existenz dieser kriminellen Vereinigung überzeugt: Es verurteilte Lina E. am Mittwoch zu fünf Jahren und drei Monaten Gefängnis, die 28-jährige Studentin sitzt seit Ende 2020 in Untersuchungshaft. Die drei weiteren Beschuldigten erhielten Haftstrafen zwischen rund zweieinhalb und gut drei Jahren. Sie seien Mitglieder einer kriminellen Vereinigung oder hätten diese unterstützt, so der Schuldspruch, der sich auf den Paragrafen 129 stützt (vgl. «Verdächtig friedlich»).

Das Verfahren hat in mehrfacher Hinsicht eine besondere Dimension: In Sachsen üben die Polizeibehörden sehr starken Ermittlungsdruck nach links aus, nach rechts ist indes deutlich weniger Dringlichkeit zu spüren. Derweil wurde Lina E. in den Medien mit sexistischen Schlagzeilen in die Nähe von «Terrorismus» gerückt. Im Prozess, der durch Ungereimtheiten aufgefallen war, boten die Ermittlungsbehörden zudem einen Kronzeugen auf, dem innerhalb der antifaschistischen Bewegung sexualisierte Gewalt vorgeworfen wird.

Im Gerichtssaal reagierten die Zuschauer:innen am Mittwoch mit Rufen und Schreien auf die Urteile, wegen der Unruhe wurde der Prozess kurzzeitig unterbrochen. Schon im Vorfeld war klar, dass das Urteil für Aufruhr sorgen wird: Linksautonome mobilisieren seit längerem unter dem Slogan «Tag X» zu einer Grossdemonstration am Samstag nach dem Urteil nach Leipzig. Dort soll gegen den aus ihrer Sicht politischen Gerichtsentscheid und die angezogene Repression gegen Antifaschist:innen demonstriert werden.