Im Affekt: Urteil des Bundesgerichts: Beruf wechseln!

Nr. 24 –

Die Perspektiven für professionelle Fotograf:innen waren schon rosiger: Bilderstellungsprogramme, die auf künstlicher Intelligenz beruhen, sind innert kürzester Zeit extrem populär geworden, was für die Branche der bilderstellenden Menschen bald schon zum Problem werden könnte. Trainiert wurden die Tools mit Bildmaterial aus dem Internet, offenbar ohne dass irgendwem mal vage das Wort «Urheberrecht» in den Sinn gekommen wäre.

Nun wartet auch noch das Bundesgericht mit einem Urteil auf, das sich so liest, als wollten die Richter:innen einem ganzen Metier signalisieren: Euch brauchts bald sowieso nicht mehr. Konkret geht es um den Fall des Bieler Fotografen Alain D. Boillat. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, hatte dieser 2021 bemerkt, dass ein Unternehmen eine Luftaufnahme von ihm ohne Rücksprache für Werbezwecke verwendet hatte. Boillat forderte nachträglich ein Honorar von 3920 Franken, das die Firma sich aber zu zahlen weigerte. Die Causa landete schliesslich vor dem Bundesgericht – das dem Fotografen in dem nun veröffentlichten Urteil ein Honorar in Höhe von sage und schreibe 55 Franken zusprach. Wobei Boillat auch noch dazu verdonnert wurde, die Gerichtskosten und eine Parteientschädigung von 3400 Franken zu übernehmen. (Die Kosten wurden dann von der Rechtsschutzversicherung des Journalistenverbands Impressum gedeckt.)

Bemerkenswert ist vor allem, wie das Bundesgericht das Honorar bestimmte: Das beklagte Unternehmen hatte mehrere Luftaufnahmen vorgelegt, die günstig im Internet erhältlich waren. Die Richter:innen errechneten daraus den Mittelwert und kamen so auf die 55 Franken. Diesen Kniff merke man sich für den nächsten Besuch einer Edelboutique: Sollte man beim Klauen einer Herrenhandtasche erwischt werden, liesse sich der geforderte Preis leicht mit Verweis auf im Netz erhältliche Ramschware drücken. Aber angesichts der drohenden Prozesskosten wird sich der Verkäufer sowieso hüten, Anzeige zu erstatten.

Noch ein Urteil: Bei so viel judikativem Gespür für Lebensrealitäten hätte man sich die 2020 in Kraft getretene Urheberrechtsverschärfung auch sparen können.