Im Affekt: Kein GAV, dafür Gewinne für die Spitze
Vor zehn Jahren las ich in der «Phnom Penh Post» eine üble Geschichte. Sie handelte vom Mord an einem kambodschanischen Lokaljournalisten. Er hatte korrupte Praktiken eines Holzfällerunternehmens aufgedeckt. Allerdings bestanden Zweifel, ob er tatsächlich ein mutiger Enthüllungsjournalist gewesen war – offenbar hatte er sich von der Konkurrenz des Unternehmens für sein Machwerk bezahlen lassen. Mit hundert Dollar Monatslohn kann man selbst in der kambodschanischen Provinz kaum überleben, ein Zubrot ist willkommen.
Die Story zeigt: Faire Löhne sind für Medienleute (wie für Staatsangestellte) nicht nur eine Frage des persönlichen Auskommens, sie fördern die Unbestechlichkeit. Das und eine funktionierende Sozialpartnerschaft schert die Rappenspalter an der Spitze des Verlegerverbands (VSM) keinen Deut, ob dessen Präsident nun Hanspeter Lebrument, Pietro Supino oder wie aktuell Andrea Masüger heisst. Wegen ihrer Blockadehaltung gibt es in der Deutschschweiz und im Tessin seit 2004 keinen Gesamtarbeitsvertrag mehr. GAV-Verhandlungen mit dem Journalist:innenverband Impressum scheiterten 2013. Die aktuellen Verhandlungen führt der Verband nur, weil die Delegiertenversammlung des VSM die von den Medienkonzernen beherrschte Verbandsspitze dazu gezwungen hat. Entsprechend fallen ihre Positionen aus. Ein Beispiel: Der Verband beharrt auf einem Mindestlohn von 4800 Franken.
Als ich 1995 beim «St. Galler Tagblatt» anheuerte, gab es noch einen Gesamtarbeitsvertrag. Berufseinsteiger:innen bezahlten die Medienbetriebe einen Lohn von 5600 Franken; wer neun Jahre dabei war, kam auf mindestens 6900 Franken. Wie schäbig der VSM aktuell unterwegs ist, lässt sich an den Gewinnen der Medienkonzerne ablesen. Allein die TX Group hat in den vergangenen fünf Jahren kumuliert fast eine Milliarde Franken an Gewinnen angehäuft. Auch Ringier, CH Media und NZZ sind gut unterwegs. Diese Story wiederum zeigt: Wer faire Löhne verweigert, ist längst hoffnungslos korrumpiert – vom Geld.
Prekäre Pressebedingungen in Kambodscha: Platz 147 von 180. Die Schweiz nähert sich weiter an.