Was weiter geschah: Wieder wilder Truckerstreik
Wegen Überfüllung geschlossen: Die deutsche Autobahnraststätte Gräfenhausen West in der Nähe von Frankfurt am Main ist für Lastwagen gesperrt, die gegenüberliegende – Gräfenhausen Ost – ebenfalls. Auf den Parkplätzen steht eine grosse Zahl blauer Lkws, davor sitzen deren Fahrer, auf einer Lkw-Plane kleben in grossen Buchstaben die Worte «Mazur: No money».
Lukasz Mazur ist der Chef jener polnischen Firmengruppe, deren Fahrer schon im März und April auf dem Rastplatz Fahrzeuge festgesetzt hatten, weil das Unternehmen ihnen Geld schuldete. 300 000 Euro konnten die gut sechzig Männer aus Georgien und Usbekistan nach sechs Wochen erkämpfen. Mit ihrem wilden Streik machten sie das System der Ausbeutung auf Europas Strassen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt: Westeuropäische Konzerne und Speditionen beauftragen osteuropäische Fuhrunternehmen, die wiederum (scheinselbstständige) Fahrer aus Nicht-EU-Ländern anheuern, die für Minisummen durch Europa fahren. Wenn sie Pech haben, werden sie am Ende sogar um dieses Geld geprellt.
Daran geändert hat der Streik im Frühjahr nichts. Daher steuerten Mitte Juli abermals mehrere Fahrer ihre Trucks nach Gräfenhausen – «wo die Kollegen ihren Sieg errungen haben», wie einer sagte –, stellten den Motor ab und verlangten ihr Geld. Zunächst schien der Unternehmer diesmal schneller handeln zu wollen, die ersten Trucker erhielten die geforderten Summen schon nach wenigen Tagen. Doch der Strom von Fahrern, die über ähnliche Probleme klagen, riss nicht ab.
Inzwischen stehen mehr als 130 Lkws auf den beiden Raststätten. Mindestens 150 Fahrer, diesmal auch aus Ländern wie Kasachstan, Tadschikistan und der Ukraine, sollen sich dem Protest angeschlossen haben. Seit dem 24. Juli fliesst kein Geld mehr, nun wurde bekannt, dass Mazur Anzeige gegen die Streikenden erstattet hat: Er wirft ihnen Erpressung vor. An ihrer Entschlossenheit ändert das nichts. «Wir bleiben, bis alle bezahlt sind. Einer für alle, alle für einen», sagte ein Streikernder am Wochenende.
Nachtrag zum Artikel «Alle Räder stehen still» in WOZ Nr. 16/23.