Im Affekt: Willkommen im Drone-Kontinuum!

Nr. 39 –

Sie sollten sich doch bitte nicht die ganze Zeit unterhalten! Der Satz geht an die Nachbar:innen im Publikum, und das bei einem Metalkonzert – was ist denn hier los?

Sunn O))), die Kultband aus Seattle, hat in der Roten Fabrik in Zürich ihre Maschinen, mindestens sechzehn kräftige Verstärker, aufgetürmt und angeworfen. Jeder Kubikzentimeter des Raums füllt sich mit einem hochverzerrten Flackern, die zähflüssigen Bässe fahren über die Haut und durch sie hindurch. Doch tatsächlich dringen die spitzen Gesprächsfetzen deutlich durch den doch so mächtigen Sound. Wie kann etwas, das so laut ist, gleichzeitig so fragil sein?

Natürlich nervt es auch, wie bei Sunn O))) sofort alles ins Erhabene kippt, versunkene Körper, andächtige Blicke oder geschlossene Augen überall, ein Publikum, das aus gefühlt allen Szenen herbeigepilgert ist, um sich eben nicht zu einem blossen Konzert, sondern einem Ritual zu versammeln, von dem nachher alle mit Ehrfurcht berichten werden («quasireligiöse Erfahrung»!).

Aber das sind nur kurze Momente des Zweifelns, denn es ist einfach zu einnehmend, was Stephen O’Malley und Greg Anderson hier inszenieren. Wie diese Musik, sobald man sich auf ihre Lautstärke und Dichte eingelassen hat, die gewohnte Zeit sofort aushebelt – willkommen im Drone-Kontinuum! Wie sie einen hineinzieht in ihre subtile, bildstarke Dramatik. So offensichtlich das Konzept dieser Band ist (jede Kopie würde sofort auffallen), so hörbar verfeinert haben die beiden Musiker über die Jahre, wie sie den dröhnenden Koloss mit feinsten Bewegungen auf ihren Gitarren lenken. Was die Performance – zwei Männer in weite, schwarze Kutten gehüllt und ohne Hemmungen, ihren Gesten grösste Ernsthaftigkeit zu verleihen – nicht vermuten liesse: Durch ihre unumwundene Körperlichkeit hat diese Musik auch etwas ungemein Sexuelles.

Wenige Minuten vor Schluss packt die Begleitung plötzlich der Schwindel, ihr wird schwarz vor Augen, sie verlässt fluchtartig den Raum – Reizüberlastung! Und wieder eine Sunn-O)))-Anekdote mehr.

Fanboy-Moment: Anderson mit Celtic-Frost-Mütze, signiert von der anwesenden Zürcher Metallegende Tom G. Warrior.