Im Affekt: Dilettantismus im Wahlcouvert

«Zmitts im Läbe» steht Sandra Hess, Werner Salzmann ist «Der sichere Wert», und «Grossen machts». Es ist mal wieder Wahlherbst – und im dicken Wahlcouvert, das in alle Haushalte von Schweizer Einwohner:innen mit Schweizer Pass flattert (zwei Millionen der Menschen hier sind von der Wahl ausgeschlossen), stapeln sich in manchen Kantonen auch Werbeprospekte. Parteien und Politiker:innen wollen sich hier von ihrer besten Seite präsentieren.
Doch beim Wühlen durch die Unterlagen kommt man kaum raus aus dem Staunen über die Ideenlosigkeit und den gestalterischen Dilettantismus. Viele Prospekte erinnern an Schüler:innenzeitungen aus den neunziger Jahren: Ausgeschnittene Köpfe und Schriften werden zu einem neuen Ganzen collagiert, wirr, fetzig und farbenfroh (rot-grün bei der SVP, gelb-blau bei der EVP, rot-weiss bei der SP). Einzig die überall platzierten QR-Codes und Piktogramme erinnern penetrant daran, dass auch die Parteien in der Zukunft angekommen sind. Beliebt sind auch konkrete Wahlanleitungen (mit und ohne Zeichnungen) und Texte in weisser, kleiner Schrift – für Wähler:innen über fünfzig kaum lesbar.
Lustig auch: Ausgerechnet die beiden Parteien, die sich vehement gegen eine Klimapolitik stellen und für den Ausbau von Schnellstrassen einsetzen, werben auf ihren Plakaten mit verschneiten Bergen und unberührten Landschaften – womöglich haben sie das von den Autoherstellern abgeschaut, die das genauso handhaben. So blickt beim SVP-Plakat eine fünfköpfige Familie über eine grüne Landschaft, in der ein einsames Bauernhaus steht, dahinter glänzen weiss Eiger, Mönch und Jungfrau. Und bei der FDP hat es ein Alpinist jubelnd mit Pickel in der Hand auf den Gipfel geschafft.
4,5 Millionen Franken – mindestens so viel Geld steckt die SVP in die nationale Wahlkampagne. Mit 2,5 Millionen folgt die FDP, die Mitte investiert 2 Millionen, die Grünen 1,6 Millionen, die SP 1,5 Millionen und die Grünliberalen 1 Million. Allzu viel davon kann kaum an professionelle Gestalter:innen geflossen sein.
Dieser Text bezieht sich auf die Wahlunterlagen im Kanton Bern – vielleicht kommen die Prospekte anderswo ja viel professioneller daher.