Sachbuch: Für eine neue Politik der Arbeit
Was braucht es, damit Demokratie gelingt? Eine lebendige Zivilgesellschaft. Einen funktionierenden Rechtsstaat. Eine inklusive Öffentlichkeit. So zumindest lauten die gängigen Antworten liberaler Demokratietheorien. Axel Honneth, eine der gewichtigsten Stimmen der zeitgenössischen Kritischen Theorie, macht in seinem neusten Werk, «Der arbeitende Souverän», auf eine schreiende Lücke in diesem Antwortreigen aufmerksam: Auch die Organisation gesellschaftlicher Arbeit bildet eine wesentliche Voraussetzung der Demokratie. Denn: Nur wer über ein existenzsicherndes Einkommen und ausreichend arbeitsfreie Zeit verfügt, kann sich intensiv mit Politik auseinandersetzen; nur wer durch seine Arbeit Anerkennung erfährt und an seinem Arbeitsplatz in Entscheidungen eingebunden ist, hat Vertrauen in die eigene politische Gestaltungskraft.
Dass diese Bedingungen demokratischer Willensbildung in einer Arbeitswelt mit überlasteten Care-Arbeitern, prekarisierten «Unternehmerinnen» in der Gig Economy, suizidalen Landwirten, rechtlich ungeschützten Haushaltshilfen oder ausgebrannten Lehrerinnen bei weitem nicht erfüllt sind, macht Honneth nach einem dichten und pointierten Exkurs in die Geschichte der Arbeit deutlich. Um den Abgrund zwischen Norm und Wirklichkeit, zwischen Sein und Sollen zu überwinden, entwirft Honneth in den letzten Teilen seines Buches eine neue «Politik der Arbeit», die in vielem so neu dann doch nicht ist. Im Geist eines pragmatischen Sozialreformers fordert er etwa einen öffentlich finanzierten Sozialdienst oder eine Arbeitszeitverkürzung.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen lehnt Honneth aufgrund dessen sozial desintegrativer Wirkung hingegen ab – mit dem Rückzug aus der Arbeitswelt ginge auch das «Bewusstsein einer gemeinschaftlichen Verantwortlichkeit» verloren. Man mag die Vorschläge für naiv oder allzu realpolitisch halten, insgesamt leistet Honneths Werk aber Kritische Theorie im besten Sinne: Es bietet eine Fülle von Argumenten und Anregungen für all jene, die einer wahrhaft demokratischen Gesellschaft zuarbeiten, ohne dabei die Bedeutung der Ökonomie auszublenden.