Im Affekt: Coaching in Gallien
«Asterix» ist ja so etwas wie gesamteuropäisches Kulturgut, entsprechend lief zum Erscheinen des jüngsten Bandes «Die weisse Iris» die mediale Berichterstattung heiss: Der «Spiegel» fragte einen Althistoriker, ob denn die für die Comicreihe typischen Wildschweinorgien und «vormodernen Prügeleien» aktuellen geschichtswissenschaftlichen Befunden standhielten. Und die «Katholische Nachrichtenagentur» blätterte mit einem Theologen durch das Heft, der schliesslich konstatieren musste, dass die «Bergpredigt mit dem Appell zur Feindesliebe» hier «keinen Sieg» feiern würde. Wer hätte das für möglich gehalten!
Vor allem aber war zu lesen, dass mit dem Heft die allseits berüchtigte «Wokeness» in Gallien Einzug halte. Und man denkt: Nun auch noch Kulturkampf bei Miraculix und Co. – muss das sein? Tatsächlich versuchen die Römer dieses Mal, die widerborstigen Gallier:innen mit psychologischer Kriegsführung in die Knie zu zwingen. Dazu entsendet Cäsar einen Mann namens Visusversus ins unbeugsame Dorf, der dessen Bewohner:innen mit esoterischen Kalendersprüchen und Achtsamkeitsrhetorik traktiert, was wirklich bald zu Zwietracht führt. Anders jedoch als von «Süddeutscher Zeitung» oder NZZ insinuiert, hat das mit «Wokeness» nicht viel zu tun, eher verkörpert Visusversus eine Art neoliberalen Lebenscoach, der penetrant Positivität predigt. Aber es liegt wohl schlicht in der Natur von Kampfbegriffen, dass mit ihnen unscharf hantiert wird.
Jedenfalls ist «Die weisse Iris» ziemlich witzig: Der neue Texter Fabcaro hat ein Gespür für Zeitgeistiges und nimmt etwa hübsch die blasierten, Tretroller fahrenden Grossstadtbewohner:innen von Lutetia (dem antiken Paris) aufs Korn, ohne dass es ins Reaktionäre kippt. Selbst die «Klimakleber:innen» haben einen Kurzauftritt. Streng genommen mag zwar die Botschaft, allzu viel Einfühlungsvermögen sei der Wehrhaftigkeit eher abträglich, tatsächlich ein bisschen martialisch sein. Aber ganz ohne Geist, der auch mal verneint, wird das mit dem Widerstand halt auch nichts.
«Woke und wehrhaft» müsse eine moderne Armee sein, befand ein deutscher Militärexperte vor ein paar Monaten in der «taz». Dann doch lieber Selfcare mit Visusversus!