Im Affekt: Parodie des Patriarchats

Nr. 45 –

«Die Welt ist eins – jenseits aller Grenzen»: Unter diesem Titel referierte die iranisch-deutsche Autorin und Politikwissenschaftlerin Gilda Sahebi im Casino Bern. Sie sprach über Liebe, die stärker sei als Hass, mit viel Pathos universeller Menschlichkeit, aber vielleicht ist gerade dieses in ungeheuerlichen Zeiten ganz angebracht.

Als Dialogpartner wurde im Anschluss Tim Guldimann, ehemaliger Schweizer Botschafter in Berlin, auf die Bühne gebeten. Er stellte eine Frage, erhielt eine kurze Antwort – und begann zu sprechen, als ob er nicht mehr aufhören wollte. Über Feminismus, der in unseren Breitengraden ja etwas von Frauen für Frauen über Frauen sei. Zum Beispiel bei der Premiere dieses lustigen Films, irgendetwas mit «göttlich» – «Ordnung» raunts aus dem Publikum, was Guldimann leider nicht versteht –, da hätten fast nur Frauen teilgenommen, Frauen auf der Leinwand, Frauen im Publikum, er habe das persönlich miterlebt. Oder der «Spiegel», der ein Heft über Feminismus publiziert, nur von Frauen bebildert, nur von Frauen geschrieben. Ganz anders sei das in den Protestbewegungen der arabischen Welt und im Iran, in denen Frauen zwar den Ton angäben, die aber von allen getragen würden.

Das Publikum wurde immer unruhiger, die Situation offensichtlich unangenehm. Guldimann mansplainte in einem nicht enden wollenden Monolog den europäischen Feminismus (an dem er sich ja durchaus auch beteiligen dürfte) und versuchte dabei ungeschickt, sich bei Sahebi anzubiedern. Irgendwann erhob sich eine junge Stimme aus dem Publikum: Wir seien doch eigentlich hier, um auch Sahebi zuzuhören. Abruptes Schweigen von Guldimann.

Er erholte sich dann rasch, auch weil Sahebi die Situation elegant zu schlichten wusste, ohne weiter auf der feministischen Bewegung in Europa herumzuhacken. Denn auch oder gerade die feministische Bewegung solle sich zu einen versuchen, über alle Grenzen hinweg. Und solange nicht gerade einer auf der Bühne sitzt, dessen Auftritt zu einer Parodie des Patriarchats verkommt, hören wir einander auch gerne zu.

Die Befürchtung, dass Guldimann gecancelt wurde, wäre übrigens unbegründet – er wurde höchstens sanft daran erinnert, dass er nicht alleine auf der Bühne sitzt.