Im Affekt: Wo die Brandmauer bröckelt

Nr. 50 –

Werbung und Inhalt gehören sauber getrennt, damit die redaktionelle Unabhängigkeit gewahrt bleibt? Mancherorts ist das schon länger ein alter Zopf, wie man 2016 in der WOZ lesen konnte. Markus Somm, damals noch Chefredaktor der «Basler Zeitung», und Hanspeter Lebrument, damals noch Präsident des Verlegerverbands, zeigten sich seinerzeit überaus verständnisvoll, wenn es um redaktionelle Rücksichten auf grosse Inseratevolumen ging. Die Brandmauer zwischen Journalismus und Inserategeschäft: zusehends fakultativ. Wenn die Werbegelder zu Google und Konsorten abfliessen, muss man eben umso schonender mit den heimischen Grosskunden umgehen.

Wie das funktioniert, konnte man kürzlich bei CH Media beobachten, als dort ein Wirtschaftsredaktor den neuen Imagefilm der UBS mit einer träfen Filmkritik bedachte («Wie die UBS mit einer Klischee-Offensive das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen will»). Ende Oktober erschienen, war die Glosse eine Woche später online schon nicht mehr auffindbar, wie das Onlineportal «Tippinpoint» publik machte. Der Artikel sei im Netz gelöscht worden, nachdem die Marketingabteilung der UBS beim Verlag interveniert habe – zugleich habe die Grossbank bei CH Media «ein Werbevolumen über mehrere 100 000 Franken» gebucht.

Auf Anfrage von «Tippinpoint» dementierte der Verlag nicht die Löschung des Artikels, nur deren Umstände: Das habe Chefredaktor Patrik Müller entschieden, ohne jeden Druck natürlich. Müller wiederum begründet seine Entscheidung gegenüber der WOZ wie folgt: «Glosse und Werbung gleichzeitig, das wäre seltsam gewesen.» Deshalb habe man die Glosse «beim Anlaufen der Werbung wieder depubliziert». Fragt sich: Seltsam für wen? Gerade bei Filmkritiken und dergleichen ist es ja üblich, dass man sie den Leuten dann zu lesen gibt, wenn sie auch den Film sehen können.

Aber im Umkehrschluss heisst das: Sobald die UBS-Werbung bei CH Media ausgelaufen ist, sollte man die Glosse wieder lesen können. Wir rechnen fest damit.

CH Media hat angekündigt, im nächsten Quartal 150 Stellen abzubauen. Grund dafür seien nicht zuletzt fehlende Werbeeinnahmen.