Diesseits von Gut und Böse: Königin des Kapitals

Nr. 1 –

Im allgegenwärtigen Wettbewerb bleibt den meisten Menschen nicht nur der erste Platz, sondern auch der Eingang in die Top Hundert versagt. Aber wenn andere die Gipfel stürmen, Nobelpreise, Misswahlen und Oscars gewinnen oder gar Sexiest Person of the Year werden, lieben wir das. Dass es auch unter Finanzminister:innen ein Ranking gibt, wusste ich nicht. Doch gerade hat die Zeitschrift «The Banker» Karin Keller-Sutter zur «Europäischen Finanzministerin des Jahres» gekürt! Und es ist kaum vier Wochen her, dass die «Financial Times» sie bei den 25 einflussreichsten Frauen einreihte.

«Karins entschlossenes Handeln bei der Bewältigung der Bankenkrise der Credit Suisse […] hat die Schweizer Wirtschaft gerettet», schrieb ihre Laudatorin und schwedische Berufskollegin Elisabeth Svantesson: «Wissen, Mut und Entschlossenheit sind vielleicht die wichtigsten Eigenschaften eines Politikers – und für mich verkörpert Karin all diese Eigenschaften.»

Nun gut. Im Vergleich mit KKS’ lustlosem Amtsvorgänger mag das zutreffen. Aber es stimmt auch melancholisch, eine Politikerin geehrt zu sehen, nur weil es ihr und ihrem Team gelang, aus einem grandiosen Debakel eine gigantische Monsterbank zu erschaffen. Ganz abgesehen von Tausenden Entlassungen und Verlusten für kleinere Anleger:innen.

Überhaupt nicht zu diesen Ehrungen passt aber all das, was kürzlich über Keller-Sutters Rolle ans Licht kam, als sie – damals noch Justizministerin – nicht als Magistratin, sondern als leidenschaftliche Lobbyistin mit loderndem Flammenschwert gegen die Konzernverantwortungsinitiative antrat (siehe WOZ Nr. 49/23). Auch dass sie die Abstimmenden mit nicht ganz richtigen Behauptungen zur OECD-Mindeststeuer zum eiligen Ja trieb, erwies sich im Nachhinein als völlig unnötig.

Zur aktuellen Auszeichnung sagt KKS: «Das ist für mich ein Grund zur Zuversicht – aber auch Ansporn, die Bankenregulierung weiter zu verbessern. Daran arbeiten wir.» Möge ihr Wort dem Gott des Klumpenrisikos in den Ohren scheppern.