Im Affekt: Schwelgen und raunen

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Darf man noch Filme mit Gérard Depardieu schauen? Jedenfalls nicht auf RTS: Das Westschweizer Fernsehen wird vorerst keine Filme mit dem französischen Schauspieler in einer Hauptrolle mehr zeigen. Mehrere Frauen werfen Depardieu vor, sie vergewaltigt oder belästigt zu haben, seit Jahren ermittelt die französische Justiz, wobei ein Urteil noch aussteht. Im Dezember kochte der Fall aber erneut hoch, nachdem der Sender France 2 eine Dokumentation über eine Nordkoreareise des Mimen im Jahr 2018 ausgestrahlt hatte. Darin ist zu sehen, wie Depardieu vor laufender Kamera unablässig Frauen sexualisiert, darunter ein sehr junges Mädchen.

Den 75-Jährigen jetzt aus dem Programm zu kegeln, wirkt trotzdem wie wohlfeile Symbolpolitik, zumal Depardieu einst auch mit Regisseuren wie François Truffaut oder dem Schweizer Jacob Berger gedreht hat. Diese macht man nun faktisch mithaftbar, ohne dass absehbar wäre, was das an sexistischen Strukturen im Kulturbetrieb ändern sollte.

Weitaus empörender ist aber, wie verquer der Fall Depardieu in Frankreich verhandelt wird. Nachdem Kulturministerin Rima Abdul Malak den Filmstar noch als nationale «Schande» bezeichnet hatte, fiel ihr kurz darauf ausgerechnet der Staatschef in den Rücken. In einer Fernsehrunde bekannte sich Emmanuel Macron, sonst ja auf sein «progressives» Image bedacht, mit glänzenden Augen als «Bewunderer» des «Genies» Depardieu. Zudem insinuierte er, dass der Dokfilm manipulierte Bilder verwendet haben könnte – womit er plötzlich daherredete wie ein ordinärer Verschwörungstheoretiker aus dem Maskulinistenforum.

Und apropos rechtsextrem: Die Internetzeitung «Mediapart» recherchierte inzwischen, dass eine im «Figaro» publizierte Solidaritätsadresse für Depardieu (unterzeichnet unter anderem von Charlotte Rampling und Carla Bruni Sarkozy) von einem 32-jährigen antifeministischen Aktivisten verfasst worden war, der mit identitären Kreisen vernetzt ist. Da gilt dann ohne Zweifel: Besser abschalten.

Inzwischen haben 8000 Kulturschaffende zum Fall Depardieu einen Gegenaufruf unterzeichnet, der sich mit den Opfern sexueller Gewalt solidarisiert.