Im Affekt: Zurück in der Männerhöhle

Nr. 4 –

Auch dafür mochte Anna Wintour ihre Sonnenbrille nicht ablegen: Letzte Woche informierte sie die Belegschaft des legendären Onlinemusikmagazins «Pitchfork» über dessen Überführung in «GQ». Wintour ist «Vogue»-Chefredaktorin, aber auch Global Chief Content Officer beim Medienkonzern Condé Nast, an den «Pitchfork» 2015 verkauft wurde. Ein Teil der Mitarbeiter:innen wurde schon entlassen, weitere werden wohl bald gehen müssen.

«Pitchfork» steht exemplarisch für die Entwicklung des Musikjournalismus der letzten fast dreissig Jahre. 1996 gegründet, war die Plattform in den ersten zwei Jahrzehnten ein Tummelplatz vornehmlich weisser Männer, die sich fast ausschliesslich mit weissen männlichen – und oft auch sehr nischigen – Rock- und Indiemusikern beschäftigten. Die subjektive Schreibweise und die starken Wertungen, die ein Album auch mal niederschmetterten, wurden ebenso gefürchtet wie bewundert: «Pitchfork» hatte lange Zeit grossen Einfluss auf die Musikszene und deren Trends. Und: Die Plattform war immer gratis, im Prinzip für alle frei zugänglich. Aber Meinungsstärke bedeutet noch lange keine Diversität; die Liebe zur Nische ebenso wenig, wenn sich alle in der gleichen kleinen Ecke aufhalten.

Dass Musikjournalismus mehr sein kann, liegt auf der Hand. Und es spricht für das Magazin, dass sich in den letzten zehn Jahren der Horizont weitete, insbesondere unter Chefredaktorin Puja Patel ab 2019: mehr Pop und Hip-Hop, mehr Frauen, mehr marginalisierte Stimmen. Mehr Perspektiven also, die einen breiteren Diskurs über Pop ermöglichten.

Gemein, dass es mit «GQ» nun ausgerechnet ein Männermagazin ist, mit dem «Pitchfork» zusammengelegt wird. Gemeiner noch, dass es keine inhaltlichen Gründe gewesen sein werden, die dazu geführt haben, sondern kalte Rechnerei: «Pitchfork» war rentabel, aber offenbar nicht rentabel genug. Doch die Fragen zu Teilhabe und Repräsentation im Pop verschwinden zum Glück nicht. Vielleicht finden sich gute Antworten darauf sowieso fernab der Welt der Grosskonzerne.

In der Nische liegt das Glück! Auf www.soundonsound.com, www.kaput-mag.com oder www.thequietus.com, in Newslettern wie «Tone Glow» oder Benedikt Sartorius’ «Listen Up!».