Wichtig zu wissen: Das Epizentrum der Macht
Ruedi Widmer über den schweizerischen Altbundesrat
Die 13. AHV-Rente kommt, wer hätte das gedacht? Das Volk hat erstmals eine sozialpolitische Initiative gutgeheissen. Bevor wir aber zum Alltag übergehen und uns an diesem Zustupf erfreuen (ich habe noch fünfzehn Jahre Zeit), möchte ich das Augenmerk auf die urschweizerische Institution des Altbundesrats werfen. Dessen aktueller Vorsitzender, Altbundesrat Adolf Ogi (SVP), hat sich im «Blick» für den Fehlentscheid des Kollegiums entschuldigt, dem Stimmvolk mit einem in alle Briefkästen versandten Brief die 13. AHV-Rente austreiben zu wollen.
Verfassungsmässig steht der Altbundesrat zwischen Bundesrat, Stimmbürger:innen und Medien. Der Altbundesrat ist ein seit dem Bestehen des Bundesstaats aktives Gremium, das nicht durch Wahlen, sondern durch Rücktritte und nach einer Verfassungsänderung 2007 auch durch Abwahlen bestimmt wird.
Der Altbundesrat sorgt für konservative Kontinuität der Politik. Das derzeitige neunzehnköpfige Gremium besteht aus Ueli Maurer (SVP), Adolf Ogi (SVP), Samuel Schmid (SVP), Christoph Blocher (SVP), Eveline Widmer-Schlumpf (BDP), Ruth Dreifuss (SP), Moritz Leuenberger (SP), Micheline Calmy-Rey (SP), Alain Berset (SP), Simonetta Sommaruga (SP), Pascal Couchepin (FDP), Hans-Rudolf Merz (FDP), Didier Burkhalter (FDP), Johann Schneider-Ammann (FDP), Kaspar Villiger (FDP), Ruth Metzler-Arnold (Mitte), Doris Leuthard (Mitte), Arnold Koller (Mitte) und Joseph Deiss (Mitte).
Der Altbundesrat trifft sich monatlich im Altbundesratszimmer. Dieses befand sich früher im Bundeshaus, aber seit der Renovation ist es spurlos verschwunden, was dem Altbundesrat eine besondere Aura verleiht. Um das Zimmer ranken sich seither Sagen, ähnlich wie um das «Bernsteinzimmer», das 1945 zuletzt in Königsberg gesehen wurde. Sein Standort ist bislang unbekannt. Kurzzeitig gab es Vermutungen, es könnte im Hauptquartier von Economiesuisse sein, dann hiess es wieder, dass darin verschwundene Waffen und Panzer des VBS versteckt sein könnten, was aber auch nicht weiterhilft, denn es geht ja darum, wo das Zimmer drumherum ist.
Nun, was machen die Altbundesrät:innen eigentlich genau, wenn sie nicht Briefe verfassen? Die Vorsitzenden einiger Departemente des Altbundesrats: Eidgenössisches Departement für Verwaltungsräte (EDV): Doris Leuthard. Eidgenössisches Departement für Stiftungspräsidien (EDS): Simonetta Sommaruga. Eidgenössisches Departement für Hotellerie im Alter (EDHA): Johann Schneider-Ammann. Eidgenössisches Departement für doppelseitige Interviews (EDDI): Christoph Blocher. Eidgenössisches Departement für Reue (EDR): Adolf Ogi. Eidgenössisches Departement für erotische Romane (EDER): Hans-Rudolf Merz. Eidgenössisches Departement für Schwurbel (EDSCH): Ueli Maurer.
Der Altbundesrat trifft sich an jedem 30. Januar zum Altbundesbraten auf dem Altmann SG.
Die Altbundesratsrentenversicherung ist eine eigene Sozialkasse, die bis zum Rand gefüllt ist. Noch. Denn aufgrund der Lebenserwartung dürfte der Altbundesrat im Jahr 2050 aus 84 und im Jahr 2100 gar aus 220 Altbundesrät:innen bestehen und damit grösser sein als der Nationalrat. Dieses Wachstum wird weiter beschleunigt, weil immer mehr Politiker:innen gar nicht mehr in den Bundesrat wollen, sondern direkt in den Altbundesrat.
Deshalb soll für diesen in einigen Jahren ein eigenes Altbundeshaus gebaut werden, ein Tempel zu Ehren der Gerontokratie. Zu Ehren der Altbundesrät:innen soll dort ein Altbundesratsaltar gebaut werden (mit Andachtsmöglichkeit). Zudem wird der Altbundesbrief der Economiesuisse für nachfolgende Generationen ausgestellt. Auch das verschwundene Altbundesratszimmer soll originalgetreu nachgebaut werden.
Ruedi Widmer wird in Winterthur älter.