Leser:innenbriefe: Kraftvolle Zukunft zu wünschen

Nr. 19 –

«Psychoanalytisches Seminar Zürich: Eine linke Anti-Institution wankt», WOZ Nr. 17/24

Es gibt kaum so etwas Interessantes wie die Geschichte der Tiefenpsychologie, gerade in Zürich, wie unlängst meine Ausstellung «Zürich entschweigen» gezeigt hat (Museum Strauhof, 2022). Das Psychoanalytische Seminar zu akkreditieren, ist von grosser Bedeutung für alle künftigen Absolvent:innen. Hinter dem Ungemach verbirgt sich jedoch eine unsägliche gesellschaftliche Misere, die selten in den Blick gerät. Früh schon hat die Psychoanalyse den Verdacht auf sich gezogen, nicht mit der herrschenden Moral zu harmonieren. Obwohl sie bereits früh in Zürich Anklang fand (Bleuler, Jung, Pfister), ist Psychologie – wohl aus Konkurrenzangst seitens der Medizin – erst spät an der Universität als Hauptfach zugelassen worden (1956). Tiefenpsychologische Ansätze waren an Universitäten teilweise geduldet, teilweise verachtet. Noch 1967 verweigerte man Martha Eicke-Spengler mit ihrem psychoanalytischen Hintergrund, eine medizinische Doktorarbeit auf diesem Gebiet zu verfassen. Die langfristig bessere Wirksamkeit tiefenpsychologischer gegenüber verhaltenstherapeutischen Ansätzen ist längst erwiesen. Der Bedarf nach psychologischer Hilfe ist gigantisch. Wo also klemmt es?

Die drohende Nichtanerkennung sagt mehr über diese Gesellschaft, über ein interessegeleitetes, profitorientiertes Gesellschaftssystem und die trübe Brille des Qualitätsmanagements aus als über die wissenschaftliche Evidenz einer Methode. Vor hundert Jahren weigerte sich die kriegspsychiatrische Konferenz in München, Kriegstraumata anzuerkennen. Das wurde erst 1980 nachgeholt, nach den gesellschaftlichen Umbrüchen um 1968, als man die Augen vor den Traumata der Vietnamveteranen nicht mehr verschliessen konnte. – Während Krankenkassen heute willig für «Geschlechtsangleichungen» zahlen, tun sie sich bei Psychotherapien schwer. – Ein veraltetes Wissenschaftsverständnis dient als leicht durchschaubares Mäntelchen von lobbygesteuerten Evaluationen. Alte Zöpfe, in Paul Parins Worten: «Medicozentrismus». Von solchen Organisationen nicht anerkannt zu werden, ist eigentlich ein Zeichen für echte Qualität. So oder so ist dem Psychoanalytischen Seminar eine kraftvolle Zukunft zu wünschen.

Peter Boller, Zürich

Die Weiterbildung des Psychoanalytischen Seminars Zürich (PSZ) ist längst zu einer Institution geworden. Das Institut bietet seit 1992 psychotherapeutische Ausbildung an, und im Mai 2017 wurde der Weiterbildungsgang des PSZ im Rahmen des PsyGe (Psychologieberufegesetz) mit Anerkennung bedacht und anschliessend vom BAG mit Auflagen anerkannt. Sieben Jahre danach jedoch seien gemäss Experten die Lernziele, die Inhalte und die Methoden zu wenig genau beschrieben, und das Wissen und Können der Studierenden werde zu wenig überprüft. Das PSZ bot seinen Studierenden Wahlfreiheiten, Ermutigung zum persönlichen Werdegang und individuelle Betreuung. Mit Blick auf die Überprüfbarkeit konnten die aussenstehenden Experten die Qualität dieses Weiterbildungsganges offenbar nicht würdigen.

Dass die Weiterbildung am PSZ praxistauglich war, beweisen die vielen engagierten Psychotherapeut:innen, die sich im Berufsleben bewähren und in den Institutionen ausgezeichnete Arbeit leisten. Nicht wenige sind verantwortungsvolle Vorgesetzte geworden, die ihr Wissen und Können weitergeben, auch mittels Publikationen und als Dozent:innen.

Das PSZ hat – wie informiert wurde – in seiner Stellungnahme zum Bericht der AAQ (Schweizerische Agentur für Akkreditierung und Qualitätssicherung) nicht nur die Unangemessenheit und Einseitigkeit des Verfahrens kritisiert, sondern auch Bereitschaft bekundet, Versäumtes nachzuholen. Das BAG ist bisher nicht darauf eingegangen.

Mit einem ablehnenden Entscheid würde das BAG eine erfolgreiche Weiterbildung zu Fall und ein psychoanalytisches Institut ins Straucheln bringen. Dies zu einem Zeitpunkt, in dem Personen mit psychischem Leiden oft wochen- oder gar monatelang auf eine Behandlung warten müssen, was in besonderem Masse Kinder und Jugendliche trifft.

Die fehlenden Studienplätze würden den Fachkräftemangel verschärfen, und die Psychotherapielandschaft würde um ein lange Zeit prägendes und lebhaftes Institut ärmer. Schaden nehmen könnte das PSZ auch als Ort psychologischer und gesellschaftskritischer Debatten.

Mirna Würgler, Heinz Lippuner, per E-Mail